Mehr als ein Drittel des gesamten Schweizerischen Energieverbrauchs geht zu Lasten des Verkehrs. Und diese Energie stammt nach wie vor grösstenteils aus fossilen Quellen. Um die dadurch verursachten CO2-Emissionen zu senken, hat der Bundesrat 2012 beschlossen, die CO2-Emissionen von neu zugelassenen Personenwagen bis 2020 auf durchschnittlich 130 Gramm pro Kilometer zu senken, dies entspricht einem Durchschnittsverbrauch von ca. 5.6 Liter Benzin pro 100 km. Damit war 130 mehr als nur eine Zahl: Es war ein Ziel.
Erreicht haben es die Autoimporteure bis heute allerdings nicht: 2015 wurde das 130-Gramm-Ziel um 5 Gramm, 2016 und 2017 jeweils um 4 Gramm und 2018 um fast 8 Gramm verfehlt, wie der kürzlich erschienene Bericht des UVEK zeigt. «Ein Grund dafür ist die hohe Kaufkraft in der Schweiz. Neue Personenwagen haben im europäischen Vergleich den höchsten CO2-Ausstoss» erklärt Sebastian Dickenmann, Fachspezialist energieeffizienter Verkehr im Bundesamt für Energie. Die Statistik zeigt, dass die Hälfte aller in der Schweiz gekauften Neuwagen Allradfahrzeuge sind, die in der Regel einen höheren CO2-Ausstoss haben. «Um den Zielwert zu erreichen, müssen die konventionellen Verbrennerfahrzeuge durch effizientere Varianten ersetzt werden und der Anteil an elektrischen und teilelektrischen Fahrzeugen ansteigen», sagt Dickenmann weiter. Obwohl die Autobranche die gesetzten Ziele erwiesenermassen verfehlt hat, sind nicht zuletzt aufgrund des festgelegten Zielwerts die CO2-Emissionen seit 2005, mit Ausnahme der Jahre 2017 und 2018, kontinuierlich gesunken (siehe Bericht S. 53). Um eine weitere Absenkung zu erwirken, hat der Bundesrat den Grenzwert weiter verschärft: Seit diesem Jahr dürfen neue Personenwagen nur noch 95 Gramm pro Kilometer ausstossen (4.1 l/100 km).
Alicia Salas, Hochschulpraktikantin Medien und Politik, BFE
Die Werte von 2019 sind meines Wissens noch nicht publiziert – wären in diesem Kontext aber auch interessant. Ich nehme an, es wird noch ein wenig dauern, bis diese Zahlen vorliegen. Wenn ich mein Bauchgefühl befrage, dann sagt das: Kein Rückgang.
Unabhängig von den aktuellen Werten für 2019 kennen wir ja auch bereits den Wert von 2050: Er liegt bei netto Null. Was bedeutet das für den Zielpfad? Wenn wir von einer typischen Nutzungszeit für Fahrzeuge von 15 Jahren ausgehen, dann dürfte im Jahr 2035 das letzte Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zugelassen werden. Dies geht weit über die Beschränkungen hinaus wie sie zum Beispiel Genf richtigerweise für bestimmte Emissionstypen inzwischen kennt.
Jetzt im Jahr 2020 liegen vor uns also genau 2 der typischen Nutzungszeiten.
Da wir inzwischen gewohnt sind, dass die Berichte des IPCC eher sehr optimistisch waren, was das zeitliche Voranschreiten der Klimakrise angeht, würde sich auch der Zeitpunkt der Zulassung des letzten Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor nach vorne Richtung Gegenwart verschieben. Also auf 2030 – oder allenfalls sogar 2025.
Diese Diskussion müssen wir jetzt bereits anstossen. Andere Länder haben da bereits Termine wie ich einer aktuellen Publikation der NZZ entnehme. Hoffe, die Tabelle kommt hier einigermassen intelligent rüber.
Geplante Verbrennerverbote:
Land/Region Zeitpunkt Geltungsbereich des Verbots
Genf 2020 Fahrzeuge der Vignettenkategorie 5 (i.d.R. ältere Diesel)
Mallorca 2025 Neue Diesel, ab 2035 neue Benziner
Norwegen 2025 Neue Benziner und Diesel
Amsterdam 2030 Alle Benziner und Diesel
Dänemark 2030 Neue Benziner und Diesel, ab 2035 neue Hybrid-Pkw
Irland 2030 Neue Verbrenner inkl. PHEV, ab 2045 alle Verbrenner
Niederlande 2030 Neue Benziner und Diesel
Paris 2030 Alle Benziner und Diesel
San Francisco 2030 Neue Benziner, Diesel und Hybrid-Modelle
Schweden 2030 Neue Benziner und Diesel
Slowenien 2030 Neuwagen über 50 g CO?/km
Grossbritannien 2030 Neue Benziner, Diesel und Hybrid-Modelle – (inzwischen von 2035 auf 2030 vorgezogen)
Schottland 2032 Neue Benziner und Diesel
Frankreich 2040 Neue Benziner und Diesel
u.s.w. Quelle: NZZ 12.02.2020
Die CO2-Emissionen lagen tatsächlich in derselben Grössenordnung wie 2018, der genaue Wert wird nach Bereinigung der Basisdaten publiziert. Der Tages-Anzeiger erwähnte am 9. Januar 2020 einen durchschnittlichen Emissionswert von 139 g CO2/km für die neuen Personenwagen 2019. Der Fahrzeugdatenanbieter JATO hat am Dienstag provisorische Zahlen zu den CO2-Emissionen der Neuwagenflotten in 23 europäischen Ländern publiziert: https://www.jato.com/new-car-co2-emissions-hit-the-highest-average-in-europe-since-2014/
Das Frage des Phase-out von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ist für die langfristige Klimastrategie relevant. Die Pläne verschiedener Staaten und Regionen für Fahr- oder Zulassungsverbote verfolgen wir mit Interesse. Für ein Verbrennerverbot in der Schweiz bräuchte es entsprechende politische Mehrheiten, die bisher nicht vorhanden waren. Es fragt sich überhaupt, ob überhaupt Verbote notwendig sind, da die meisten Hersteller von Personenwagen sich ohnehin über kurz oder lang vom Verbrennungsmotor verabschieden. Der weltgrösste Autohersteller VW arbeitet gerade an seiner letzten Verbrennerplattform und setzt voll auf die Elektromobilität.
Sebastian Dickenmann, Stv. Leiter Energieeffizienter Verkehr
Danke für den Link zu Jato. Der Verlauf in der Schweiz wird wohl ähnlich sein.
Langfristige Klimastrategie ist eher eine mittelfristige. 30 Jahre vergehen wie im Flug. Das kann ich jetzt bereits zum zweiten Mal bestätigen.
Wir werden nicht darum herum kommen, das Ausphasen der Verbrennungsmotoren auch mit gesetzgeberischen Mitteln zu begleiten. Der Grund ist sehr simpel: Bei sinkender Nachfrage nach fossilen Treibstoffen werden die Preise in den Keller gehen. Wir können das gerade live, 3D und in Farbe als Folge der abgeschwächten Nachfrage wegen des Coronavirus besichtigen. Dadurch werden Verbrenner wieder attraktiver.
Ich möchte dazu auf einen Artikel von Ross Tessien aufmerksam machen „EVs, Oil, And ICE: Impact By 2023 And Beyond“
https://seekingalpha.com/article/4225153-evs-oil-and-ice-impact-2023-and-beyond
Die Beiträge von Tony Sheba zu diesem Thema sind sicher auch bekannt.
Bei harten Massnahmen ist klar, wann Schluss ist. Alle werden sich darauf einstellen, einige werden unzufrieden sein, wenige werden leugnen, dass dies überhaupt nötig sei.
Weiche Massnahmen wie eine CO2 Abgabe wirken zwar auch, aber stimulieren die Intelligenz, um das Ende möglichst lange hinauszuzögern.
Die Frage ist, ob wir die Zeit noch haben. Es sieht nach meiner Beurteilung nicht danach aus.
Eine Frage nach den Mehrheiten ja oder nein würde sich nach einem „burn out“ wie in Australien – aber einfach in unserem Mittelland – nicht mehr stellen.
Nur würde ich gerne darauf verzichten.
Wissenschaft sagt was ist. Politik sagt auf deren Basis, was sein soll. Wenn sie dies nicht leistet, untergräbt sie schlicht den Glauben daran, mit demokratischen Mitteln den Wandel bewältigen zu können.
Es sind dann nicht Bürgerkriege und Putsche, die die Demokratien von der Landkarte wischen. Sondern die Demokratien sterben dann durch Wahlen. Und auf dieses Experiment möchte ich gerne in der Schweiz verzichten.