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Synergiepotenzial zu unsicher


Die Aufregung war gross und kam zweimal. Im Mai 2019 im Kanton Solothurn und im grenznahen Deutschland, ein halbes Jahr später in der Region Zürich Nordost. Was war passiert?

Die Nagra hatte im Frühling ihre Vorschläge für die Oberflächeninfrastruktur präsentiert. Ein Teil davon ist die Verpackungsanlage für Brennelemente (BEVA, «heisse Zelle»). Sie kündigte Studien an, die die Machbarkeit einer solchen Anlage bei den Kernkraftwerken in Gösgen (KKG) und Leibstadt (KKL) prüfen sollten. Dies erzürnte Teile der Bevölkerung im Kanton Solothurn und in den Gemeinden nördlich des Rheins bei Leibstadt. Als die beiden Kraftwerke im November informierten, dass man die Pläne nicht weiterverfolgen werde, regten sich wiederum Menschen aus dem Zürcher Weinland auf. Das Motiv hinter dem Unmut ist allenorts das gleiche: Keine «heisse Zelle» in «unserer» Region. Verantwortlich für den Vorschlag und seinen Rückzug sind die Betreibergesellschaften des KKG und des KKL. Dr. Michaël Plaschy ist Geschäftsleiter des ersteren und Verwaltungsrat des anderen. Er kennt also beide Werke bestens und gibt hier Auskunft über die ursprüngliche Idee und das Ergebnis.

Herr Dr. Plaschy, wann kam bei den Betreibern der Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt die Idee auf, die Option BEVA an ihren Standorten zu prüfen? Was waren die Gründe für diese Überlegungen?
KKG und KKL haben Anfang 2019 erstmals darüber diskutiert, ob eine BEVA an ihren Standorten zu prüfen wäre. Auslöser für diese Überlegungen war der Entscheid des Bundesrates Ende 2018 zu Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager (SGT), der auch Standorte ausserhalb der Standortregionen zur Prüfung für eine BEVA zugelassen hat. Über die Absicht von KKG und KKL wurde im Mai 2019 informiert und die beiden Werke haben nachfolgend Vorabklärungen aufgenommen.

Es war häufig die Rede von Synergien. Wie hätten diese ausgesehen? Was wären die Vor- und Nachteile eines Standorts bei den Kraftwerken?
Die Aussagen zu einem Synergiepotential (z. B. Nutzung vorhandener Anlagen, qualifiziertes, erfahrenes Personal, Brennelemente teilweise vor Ort, etc.) sind, wie sich bei genauerer Betrachtung herausstellte, mit vielen Unsicherheiten behaftet. Sie hängen insbesondere von der zeitlichen Entwicklung des SGT, dem anschliessenden mehrstufigen Bewilligungsverfahren sowie vom Zeitpunkt der späteren Inbetriebnahme des Tiefenlagers ab. Der Zeitpunkt der Stilllegung der KKW ist ebenfalls offen. Mit einer angenommenen Laufzeit von 60 Jahren ist KKG bis 2039 in Betrieb und KKL bis 2045. Gemäss heutigen Studien würden sich 3-5 Jahre nach der endgültigen Ausserbetriebnahme von KKG und KKL keine Brennelemente mehr an den Kraftwerksstandorten befinden (2042, resp. 2048) Die abgeklungenen Brennelemente werden vollständig ins Zwischenlager ZWILAG verbracht. Nach dem Rückbau stünden an den beiden Standorten 2050 resp. 2059 keine nuklearen Anlagen mehr. Ob das Tiefenlager und die BEVA wie geplant 2060 den Betrieb aufnehmen kann, hängt auch davon ab, ob jeweils die Bewilligungen für erdwissenschaftliche Untersuchungen unter Tage, die Bau- sowie die Betriebsbewilligung des Tiefenlagers beklagt werden. In der Realisierungsplanung sind solche Rechtsverfahren und die entsprechenden Verzögerungen nicht berücksichtigt [siehe zum besseren Verständnis die angehängte Grafik]. Das Zwilag hingegen ist dafür ausgelegt, die Brennelemente bis zur endgültigen Lagerung im Tiefenlager aufzunehmen, unabhängig von der zeitlichen Entwicklung der Inbetriebnahme des Lagers.

Weshalb sind die Betreiber im November 2019 wieder von den Plänen abgerückt? Hat politischer Druck dabei eine Rolle gespielt? Waren Kostengründe ausschlaggebend?
Mit dem Stand des heutigen Wissens können etliche technische, organisatorische und wirtschaftliche Fragen nicht verlässlich geklärt und vor allem das Synergiepotential mit dem Tiefenlager nicht belastbar aufgezeigt werden. Der heute bekannte, optimistische Zeitplan zur Inbetriebnahme des Tiefenlagers einerseits und der Nutzung von KKG und KKL andererseits lassen keine Synergien erkennen. Im Vergleich zu den Vorschlägen bei Tiefenlager oder Zwilag ist bei KKG und KKL das Synergiepotential in jedem Fall viel kleiner. Daher haben sich KKG und KKL entschieden, die Option einer BEVA an ihren Standorten nicht weiterzuverfolgen. Politischer Druck spielte bei diesem Entscheid keine Rolle und Kostenfragen konnten, wie eingangs erwähnt, nicht geklärt werden.

 

Das Interview führte Andreas Besmer, Fachspezialist Regionale Partizipation, BFE

Zeitpläne gemäss heutigem Wissensstand.

 

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