Eidgenössische Räte: Eine Session im Zeichen der Energie
Grosse Solaranlagen in den Bergen, einfachere Verfahren für Windanlagen oder die Erhöhung der Grimsel-Staumauer im Berner Oberland: Die eidgenössischen Räte haben in der Herbstsession 2022 zahlreiche Entscheide zum Ausbau der erneuerbaren Energien getroffen. Folgend ein Überblick über die energiepolitischen Geschäfte, die die beiden Räte behandelt haben.
Versorgungssicherheit
Die Förderung der erneuerbaren Energien ist ein Kernpunkt im sogenannten Mantelerlass (Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien), der eine Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes umfasst. In einer langen Debatte hat der Ständerat sich als Erstrat damit befasst. Die wichtigsten Beschlüsse:
- Speicherwasserkraftwerke, Pumpspeicherkraftwerke, Fotovoltaikanlagen und Windkraftwerke sind von nationalem Interesse, wenn sie einen zentralen Beitrag zur Erreichung der Ausbauziele leisten. Das nationale Interesse geht entgegenstehenden Interessen von kantonaler, regionaler und lokaler Bedeutung vor. Der Bundesrat kann zudem beschliessen, dass die notwendigen Bewilligungen für diese Anlagen in einem konzentrierten und abgekürzten Verfahren erteilt werden.
- Umweltbestimmungen für den Bau wie auch den Bestand sowie die Erweiterung und die Erneuerung von Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien bleiben in Kraft.
- Das Energiegesetz enthält neu verbindliche Zielwerte und nicht mehr nur Richtwerte für die Jahre 2035 und 2050. Die Zielwerte legen den angestrebten Ausbau der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energien sowie die Senkung des Energie- und Elektrizitätsverbrauchs pro Kopf fest. Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrats werden die Zielwerte deutlich erhöht.
Auch der Nationalrat hat energiepolitische Pflöcke eingeschlagen: Beispielsweise hat er beschlossen, bei dem seit Jahren blockierten Ausbau des Grimsel-Stausees die normalen Rechtsverfahren teilweise auszuhebeln. Über ein dringliches Bundesgesetz soll die Erhöhung der Staumauer um 23 Meter schnell ermöglicht werden.
Entschieden hat das Parlament auch über den sogenannten Rettungsschirm, der den etwas sperrigen Titel Subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft trägt. Schweizer Stromunternehmen können über den Rettungsschirm beim Bund Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen beziehen. Der Bundesrat hatte den Rettungsschirm am 5. September 2022 bereits per Notrecht aktiviert und eine Verordnung in Kraft gesetzt. Diese wird nun durch den Beschluss der Räte vom Rettungsschirm abgelöst.
In einer eintägigen Sondersession in beiden Räten ging es um die Versorgungssicherheit.
Während sich der Ständerat auf die Versorgung mit Lebensmitteln fokussierte, wurden im Nationalrat einige Vorstösse im Energiebereich diskutiert. Die Interpellation von Nationalrat Roger Nordmann (SP, VD) befasste sich mit der Frage, welche Vorbereitungen der Bundesrat treffen wird für die Versorgung mit fossilen Energieträgern im nächsten Winter. Die aktuellen Massnahmen des Bundes sind auf der Website des UVEK zusammengefasst. Die Motion von Nationalrätin Delphine Klopfenstein Broggini (Grüne, GE) fokussierte auf einen anderen Aspekt zur Sicherung der Versorgungssicherheit nämlich auf das Energiesparen. Sie will den Bundesrat beauftragen, eine Plattform für Energiesparprogramme einzurichten, welche auch finanzielle Unterstützung für Programme beinhalten sollte. Der Bundesrat beantragte mit dem Verweis auf das Programm EnergieSchweiz die Ablehnung der Motion. Zusätzlich zu den von EnergieSchweiz bereits verbreiteten Energiesparmassnahmen gibt es im Hinblick auf die potentielle Mangellage derzeit die Kampagne nicht-verschwenden.ch. Der Rat lehnte die Motion im Sinne des Bundesrats ab.
Energiepreise
Die zweite energiepolitische Sondersession drehte sich in beiden Räten um die Energiepreise. Ein Beispiel: Die dringliche Interpellation der Grünen Fraktion im Nationalrat zu den steigenden Strompreisen und der Frage, wie man die Bevölkerung und die Wirtschaft dabei unterstützen kann. Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf die interdepartementale Arbeitsgruppe Energiepreise, welche am 31. August 2022 mit der Analyse der aktuellen Preislage beauftragt wurde. Die Arbeitsgruppe prüft die Notwendigkeit sowie die Vor- und Nachteile von allfälligen staatlichen Massnahmen aus wirtschaftspolitischer und gesellschaftlicher Perspektive. Dazu zählen beispielsweise die Deckelung von Preisen und Sondersteuern auf allfällige ausserordentliche Gewinne in der Energiebranche, sowie die Rückverteilung der daraus erzielten steuerlichen Mehreinnahmen an Verbrauchergruppen.
Im Ständerat wurden unter anderem die Motionen von Ständerat Marco Chiesa und Ständerat Carlo Sommaruga zum Thema Energiepreise eingereicht. Wobei sich die Motion Chiesa auf die Treibstoffpreise und die Motion Sommaruga auf eine allgemeine Energiepreisentlastung für Haushalte mit tiefen Einkommen konzentriert. Die Antwort des Bundesrats verwies bei beiden Motionen auf die eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe, welche aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage gegenwärtig keinen Bedarf für dringende Massnahmen sieht. In der Schweiz bestehe zudem ein umfassendes soziales Sicherheitsnetz, welches Menschen in finanziellen Schwierigkeiten helfen kann. Der Rat lehnte beide Motionen im Sinne des Bundesrats ab.
Anderes
Ein weiteres grosses Thema war die Beratung des indirekten Gegenvorschlags zur Gletscherinitiative. Die Gletscherinitiative will, dass fossile Treib- und Brennstoffe ab 2050 grundsätzlich verboten werden. Der Nationalrat stellt der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber, welcher konkrete Etappenziele vorschlägt. So sollen der Verbrauch fossiler Energien und damit die Emissionen im Gebäudesektor in der Industrie und im Verkehr etappenweise reduziert werden. Bund und Kantone sind zudem aufgefordert, bis 2050 Speicher für Kohlestoff im In- und Ausland bereitzustellen. Förderprogramme sollen den Umbau unterstützen: Mit 1,2 Milliarden Franken sollen neue Technologien gefördert werden. 2 Milliarden Franken stehen für den Ersatz von fossilen Heizungen bereit. Die beiden Kammern konnten sich nach dem Differenzbereinigungsverfahren auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen und die Initianten kündigten den Rückzug der Initiative an.
Die Winteresession beginnt am 28. November und dauert bis zum 16. Dezember.
Florin Konrad, Hochschulpraktikant Medien & Politik, Bundesamt für Energie
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