Die «Digital Grid Initiative»: Eine Plattform gegen die Unsicherheiten der Digitalisierung
Die Digitalisierung prägt alle Bereiche des modernen Lebens – auch den Bereich Energie. Smart Grids verändern die Produktion und Verteilung von Energie, Smart Home-Technologien das Wohnen und Arbeiten. Durch rechtliche und organisatorische Hürden verläuft die Integration solcher Lösungen bisher noch langsam.
Im Februar lancierten neun Start-ups aus vier europäischen Ländern die Digital Grid Initiative. In der Zwischenzeit ist die Digital Grid Initiative auf fünfzehn Mitglieder angewachsen. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, digitale Lösungen im Energiesektor zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. Mit dabei sind auch vier Unternehmen aus der Schweiz. Die Initiative hat keine formale Organisation und präsentiert sich stattdessen als offenes und lernendes Netzwerk. Ein Aufbau ganz im Sinne der Internet-Philosophie des offenen, egalitären Austausches.
Die Gründer der Digital Grid Initiative diagnostizieren eine grosse Unsicherheit in der Energiebranche. Durch diese Unsicherheit wird neue Technologie nur zögerlich integriert. Gleichzeitig sehen sich die Unternehmen mit gesteigerter Komplexität konfrontiert, die nur durch eine verstärkte Digitalisierung bewältigt werden kann.
Wir haben mit Andreas Ulbig über die Digital Grid Initiative gesprochen. Ulbig ist Chief Operating Officer des Unternehmens Adaptricity, welches die Initiative mitbegründet hat. Adaptricity war 2021 der Gewinner des Watt d’Or im Bereich Energietechnologie. Wir haben gefragt, was er sich von der Initiative erhofft und wem sie nützen soll.
Energeiaplus: Herr Ulbig, warum braucht es die Digital Grid Initiative?
Andreas Ulbig: Im Markt entstehen eine Vielzahl innovativer Lösungen, im Besonderen getrieben durch Start-Ups, die aktuelle und zukünftige Anforderungen der Netze angehen. Das Wissen um den Nutzen dieser innovativen Lösungen sind bei Politik, Verwaltung und Regulierung gegenwärtig noch zu wenig vorhanden. Unser Hauptziel ist es also, überhaupt erstmal mehr Sichtbarkeit für digitale Lösungen im Verteilnetz zu schaffen.
Welche Mittel und Strategien setzen Sie ein, um die Unsicherheit der Unternehmen zu überwinden und die Digitalisierung voranzutreiben?
Wir haben verschiedene Ansätze, mit denen wir diese Herausforderung angehen: Wir bieten praxisnahe Informationen zu digitalen Lösungen und zu den nötigen Anpassungen im Bereich Administration und operative Prozesse. Konkret bedeutet das die Präsentation von Best Practices im Bereich Netzdigitalisierung und Smart Grid für Interessierte aus der Energiebranche. Speziell richten wir uns an Mitarbeitende von Verteilnetzbetreibern – im Verteilnetz passiert ja schliesslich der Grossteil der Energiewende.
Das bedeutet auch, auf die Aspekte hinzuweisen, bei denen es noch hapert. Sprich was Innovation und Fortschritt im Weg steht. Ein Beispiel: Aktuell gibt es in der Schweiz, aber auch europaweit immer noch einen starken regulatorischen Fokus auf die Vergütung von einmaligen Investitionskosten (CAPEX). Dies bevorzugt indirekt klassischen Netzausbau anstatt digitale Lösungen, die einen Ausbau des Netzes vermeiden würden. Aber häufig fallen digitale Lösungen unter die Kategorie laufende Betriebskosten (OPEX), z.B. Software-Tools. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist so die «smarte» Lösung oft genug noch das «dumme» Kabel, anstatt der Einsatz von Netzsensoren und darauf aufbauender Datenanalyse.
Aktuell präsentieren wir unser Informationsangebot noch auf rein digitalem Weg über eine Webinar-Serie. Bald aber hoffentlich auch wieder auf Industriemessen und mittels Fachvorträgen.
Wie hilft diese Initiative anderen Unternehmen in der Energiebranche, die noch wenig Erfahrung im digitalen Bereich haben?
Durch klassische Aufklärungsarbeit: Wir stellen an konkreten Beispielen vor, wie digitale Lösungen im Verteilnetz sinnvoll genutzt werden. Das bedeutet, auch aktiv die Erfahrungswerte von Netzbetreibern einzubringen.
Gerade im deutschsprachigen Raum mit ca. 1500 meist kleineren Netzbetreibern ist es besonders wichtig, vor allem kleine Netzbetreiber anzusprechen. Ein wichtiger Aspekt hierbei: Die wenigen grossen Netzbetreiber haben oft grosse Innovationsteams und Budgets für Innovationsprojekte und sind somit oft branchenweit Vorreiter. Sie bearbeiten mitunter aber nicht die Themen, die für kleinere EVUs am relevantesten sind. Unsere Beobachtung ist: Interessant und damit auch effektiv ist eher der Erfahrungsaustausch zwischen Firmen, die eine ähnliche Grösse, Struktur und Ressourcen-Basis haben – sozusagen ein horizontales Lernen.
Hier geht es zu den Informationsangeboten der Digital Grid Initiative. Angesprochen sind Start-Ups sowie KMU, die den Grundsatz „Smart statt Kupfer“ teilen und eine beschleunigte Transformation der Verteilnetze im deutschsprachigen Raum hin zu digitalen Verteilnetzen anstreben.
Lisa Brombach, Hochschulpraktikantin Medien und Politik, BFE
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