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OLD Caption: Jean-Christophe Füeg vertrat die Schweizer Energiethemen im Ausland. Bild: BFE
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Stromabkommen, IEA, internationale und EU-Energiepolitik: Wenn es um internationale Aspekte der Schweizer Energiepolitik geht, dann weiss Jean-Christophe Füeg Bescheid. Als Leiter Internationales im Bundesamt für Energie hat er die Schweiz in zahlreichen Gremien vertreten. Ende 2013 wurde er zum Botschafter ernannt. Nun wird Jean-Christophe Füeg pensioniert. Energeiaplus schaut mit ihm auf seine Zeit als BFE-Energiebotschafter zurück.

Energeiaplus: Sie sind 2001 zum BFE gekommen. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Dossier?

Jean-Christophe Füeg vertrat die Schweizer Energiethemen im Ausland. Bild: BFE

Jean-Christophe Füeg: Durchaus. Ich musste ein Referat zur Schweizer Energiepolitik in Brüssel vorbereiten. Da ich aus dem Ausland kam und wenig über die Schweiz wusste, sagte mir mein Chef, ich solle mir Zeit nehmen. Nach zwei Wochen legte ich ihm die Powerpoint-Präsentation vor. Er schreckte auf und meinte: Mit «Zeit nehmen» habe er sich zwei Monate vorgestellt. Wenige Monate später durfte ich zusätzliche Aufgaben von intern freigewordenen Stellen übernehmen und wurde unter anderem als Referent nach Armenien, ans George Marshall Center für Sicherheitsstudien und nach Bolivien eingeladen (diese Reisen habe ich übrigens mit Flugmeilen aus meinem früheren Job bezahlt).

Gut 20 Jahre waren Sie Leiter Internationales im BFE. Was sind die grössten Veränderungen, die Sie erlebt haben?

Eindeutig die fortschreitende weltweite Energiewende und die damit einhergehende Komplexität. 2002 konnten die westlichen Länder beim Welt-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg nicht einmal ein «Erneuerbaren-Ziel» festschreiben. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit.

Was macht der Leiter Internationales denn genau?

Er vermittelt im Ausland die Schweizer Energiepolitik, vertritt die Schweiz in internationalen Gremien und verhandelt mit der EU oder einzelnen Ländern. Und er leitet Energiedialoge mit einer leider immer kleineren Anzahl Länder. Unter Bundesrätin Leuthard hatte die Cleantech-Exportförderung mit unzähligen Delegationsreisen einen hohen Stellenwert.

Was war das schwierigste Dossier in Ihrer Berufskarriere? Das Stromabkommen, das die Schweiz mit der EU anstrebt? Auf youtube finden sich Videos, in denen Sie den Standpunkt der Schweiz darlegen.

Schwierig war das Stromabkommen an und für sich nicht. Doch gewisse Interessengruppen haben es schwierig gemacht, indem sie ständig mit unerfüllbaren Sonderwünschen aufwarteten und nicht begreifen wollten, dass die Schweiz in Europa nicht einzigartig ist. Bis 2012 hätte das Stromabkommen mit etwas Kompromisswillen abgeschlossen werden können. Als die EU das Stromabkommen an institutionelle Lösungen (institutionelles Rahmenabkommen) knüpfte, wurde das Stromabkommen in Geiselhaft genommen. Seit der letzten Verhandlungsrunde im Juli 2018 ging es vor allem um Schadensbegrenzung. 15 Jahre Verhandlungen ohne Abschluss sind eine ungeheure Verschwendung.

In einem Artikel der «Finanz und Wirtschaft» vom Juni 2019 werden Sie zitiert. «Wir könnten das Stromabkommen innert zwei Tagen fertig verhandeln.» Ein Abschluss des Stromabkommens war damals aber nicht in Sicht. Wie gehen Sie mit solchen Erfahrungen um?

«Nicht in Sicht» würde ich mit Blick auf die jüngsten Entscheide des Bundesrats  relativieren. Manchmal kann es intellektuell stimulierend sein, tagelang zu recherchieren, um irgendwo in Europa einen Tatbestand zu finden, der als Argument für eine Schweizer Extrawurst herhalten könnte. Aber irgendwann erlahmen auch solche Anreize, da letztlich dafür kaum Erfolgschancen bestehen.

Ein wichtiger Akteur, mit dem Sie oft zu tun hatten, war die Internationale Energieagentur (IEA). Die IEA bewertet regelmässig die Energiepolitik von Mitgliedsländern im Rahmen der sogenannten Tiefenprüfung. Dabei wurde auch schon Kritik laut, es handle sich dabei um einen Werbespot für die nationale Energiepolitik. Was sagen Sie dazu? Erst letztes Jahr haben die internationalen ExpertInnen die Schweiz ja erneut unter die Lupe genommen.

Die Resultate der neuen Tiefenprüfung der Schweiz wurde am Tag nach dem Klimagesetz-Referendum bei der IEA besprochen und rief viele Fragen anderer Staaten hervor. Im Spätsommer wird diese durch Bundesrat Rösti und IEA-Exekutivdirektor Birol veröffentlicht. Tiefenprüfungen sind ein Wechselspiel zwischen dem untersuchten Land und den besuchenden Experten. Ein Werbespot sind sie indes nicht. So beanstandet die IEA seit Jahrzehnten, dass Brennstoffe in der Schweiz mit einer CO2-Abgabe belegt werden, Treibstoffe (Benzin und Diesel) aber weitgehend ungeschoren davonkommen.

Inwiefern haben Ereignisse wie Fukushima oder der Ukraine-Krieg Ihre Tätigkeit beeinflusst?

Fukushima wirkte sich vor allem im Inland aus – mit dem Entscheid zum schrittweisen Atomausstieg.  Nur Deutschland traf einen ähnlichen Entscheid. Ansonsten hinterliess Fukushima in der internationalen Energiepolitik wenig Spuren. Ganz anders bei der Ukraine-Krise und den immer noch laufenden Bestrebungen, die Schweiz vertraglich in der europäischen Gaslandschaft abzusichern, mit bis anhin durchwachsenen Ergebnissen.

Ende 2013 hat der Bundesrat Sie zum Botschafter ernannt. Welchen Einfluss hatte dies auf Ihre Tätigkeit?

In Europa, null, denn man kennt sich; oder es kann sogar das Gegenteil bewirken, bei Gesprächspartnern, die man noch nicht kennt und die  hinter dem Titel einen fachlich wenig beschlagenen Diplomaten vermuten. Ausserhalb Europas imponiert der Titel, manchmal dermassen, dass sogar langjährige Kollegen in Afrika sich weigerten, mich weiter zu duzen.

In Ihrem Editorial für das BFE-Magazin energeia haben Sie 2016 geschrieben: «Die Schweiz hat einen schwierigen Stand in der internationalen Energiepolitik.» Würden Sie das heute auch noch so sagen?

Die Isolation der Schweiz hat sich mit der fortschreitenden Integration in Europa und der Pandemie bedeutend verstärkt. Einzig im Pentaforum (Im Penta-Forum arbeiten die Energieministerien aus folgenden Ländern freiwillig zusammen: Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich und der Schweiz und diskutieren Stromthemen und auch weitere Energiethemen wie Wasserstoff) werden wir noch als ebenbürtiger Partner wahrgenommen.

Zur Person:

Die BFE-Laufbahn von Jean-Christophe Füeg begann 2001. Er führte Verhandlungen mit der EU und internationalen Organisationen wie der Internationalen Energieagentur (IEA), der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) oder der UNO-Unter-Organisation Wirtschaftskommission für Europa. Er war zudem Leiter von Experten-Gremien zur Beurteilung der Energiepolitik von verschiedenen Ländern wie Indien, Indonesien, Chile, Kanada, Russland, Estland, Türkei, Kroatien, Mazedonien oder Mongolei.

Zuvor – von 1999 bis 2001 – war Füeg Leiter (Administrator) der Abteilung der Nicht-Mitgliedsorganisationen der IEA in Paris. Von 1998  bis 1999 war er Co-CEO von IHS Energy/Petrolconsultants Group für Öl und Gas. Von 1985 bis 1996 hatte er verschiedene Positionen im Bereich Erdölberatung in der ehemaligen Sowjetunion, Angola, Italien und Indonesien. Jean-Christophe Füeg hat ursprünglich Internationale Beziehungen, Russisch und Kunstgeschichte in Genf studiert.

Argumente wie «Die Schweiz als Stromdrehscheibe Europas» sind indes längst verpufft. Die Nordsee mit ihrem Windkraft- und Wasserstoff-Hub ist längst ein grösserer Faktor.  Man lächelt uns freundlich zu, aber wir werden kaum noch als Teil einer energiepolitischen Schicksalsgemeinschaft wahrgenommen.

Gut zehn Jahre ihres Berufslebens drehten sich um Erdöl. Sie haben zahlreiche Länder beraten. Reden Sie heute über diesen Energieträger anders als in den 1990er-Jahren?

Kaum. Hochentwickelte Länder können sich einen Ausstieg aus den Fossilen bis Mitte Jahrhundert leisten – abgesehen von den grauen Emissionen unserer Importe. Ganz anders die Entwicklungs- und Schwellenländer.

Die IEA sieht den Zenit der Erdölförderung in wenigen Jahren. Danach wird die Förderung über viele Jahrzehnte langsam sinken. Selbst das tugendhafte Dänemark wird erst 2050, nachdem es das letzte Kohlenwasserstoffmolekül aus seinem Boden gepresst hat, die Förderung aufgeben. Jemand wird das Erdöl fördern, raffinieren und transportieren müssen. Wenn es nicht die von Aktivisten verteufelten Ölmultis sind, dann die mittelöstlichen, russischen oder chinesischen Staatsfirmen. Ob das für die Umwelt und die gute Regierungsführung von Vorteil ist?

An welche Begegnung während Ihrer Berufskarriere erinnern Sie sich besonders gern?

Viele, auch überraschende. Ein türkischer konservativer Energieminister, der mir nach einer langen Verhandlungsnacht mit einem High Five gratuliert. Ein chinesischer Energie-Vizeminister, der mich nach einer mehrstündigen Sitzung, für die ich eigens nach Beijing geflogen war und gegen den Schlaf kämpfte, umarmte. Der Präsident von Ghana, dem ich bei einem offiziellen Essen in 60 Sekunden den Erneuerbaren blockierenden Reformstau in seinem Land erklären konnte, so dass er umgehend seinen Minister schalt.

Nun werden Sie pensioniert. Wie wird das Thema Energie Sie weiterhin beschäftigen?

Ich bin zum Schluss gekommen, dass Energie zu anspruchsvoll ist, um sich nur im Teilpensum damit zu beschäftigen. Man wird schnell obsolet und schweigt dann lieber.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Foto: Brigitte Mader, BFE

 

 

 

 

Seit dem 12. September 2022 ist bekannt, wo die Schweiz ihre radioaktiven Abfälle entsorgen will: Die mit der Aufgabe betraute Nagra will im Opalinuston des Zürcher Unterlands ein Tiefenlager für schwach-, mittel- und hochaktive Abfälle bauen. Bis das Lager in Betrieb geht, vergehen zwar noch fast drei Jahrzehnte. Dennoch ist die Ankündigung der Nagra ein Meilenstein auf dem Weg zu einer sicheren Entsorgung der radioaktiven Abfälle der Schweiz. Doch: Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich?

Auf einer interaktiven Karte Europas hat das Bundesamt für Energie den Stand des jeweiligen Standortsuchverfahrens für hochaktive Abfälle in allen Ländern zusammengetragen. Der Blick fällt dabei zuerst auf drei Länder, die dunkler eingefärbt sind als die Schweiz: Finnland, Frankreich und Schweden. Während Finnland bereits ein Lager baut (Betriebsbeginn ab 2025), haben Frankreich und Schweden den Standortentscheid gefällt. Beide wollen ca. 2035 anfangen mit dem Einlagern der Abfälle.

In fünf weiteren Ländern (Grossbritannien, Deutschland, Tschechien, die Slowakei und Ungarn) läuft ein Verfahren zur Standortsuche. Ein definitiver Standort ist aber noch nicht bestimmt. Belgien wiederum hat einen Grundsatzentscheid gefällt, wonach die Abfälle in einem Tiefenlager entsorgt werden sollen. Acht Länder (Spanien, Niederlande, Italien, Slowenien, Kroatien, Litauen, Rumänien und Bulgarien) haben noch keine Entscheide gefällt. Die restlichen 23 Länder haben keine Kernkraftwerke und folglich meist nur schwach- und mittelaktive Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung zu entsorgen. Fazit: Auch wenn von der Gründung der Nagra bis zur Ankündigung des Standorts letzten Herbst ein halbes Jahrhundert vergangen ist, ist die Schweiz im Vergleich weiter vorangeschritten als die meisten anderen Länder Europas.

Die Karte findet sich im neuen Focus Tiefenlager Nr. 20, der Ende Juni erschienen ist. Weitere Artikel im Focus:

  • Editorial des neuen Beiratspräsidenten Martin Landolt
  • Interviews mit den Co-Präsidenten der Regionalkonferenz Nördlich Lägern sowie dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Verpackungsanlagen geologisches Tiefenlager
  • Ein Rückblick auf die regionale Partizipation seit 2011 und die Ergebnisse daraus

Der Focus Tiefenlager kann hier heruntergeladen werden.

Andreas Besmer, Fachspezialist Regionale Partizipation, Bundesamt für Energie
Grafik: BFE

 

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