Neuwagenbericht 2023: Mehr Elektrofahrzeuge – weniger CO2-Emissionen
In der Schweiz entscheiden sich immer mehr Leute für ein Elektro-Fahrzeug. Auch werden immer mehr elektrisch betriebene leichte Nutzfahrzeuge (LNF) importiert. Das zeigt die Statistik zu den Neuwagen des Bundesamts für Energie. Das wirkt sich auf die durchschnittlichen CO2-Emissionen bei der Neuwagenflotte aus. Insgesamt wurden deutlich weniger Fahrzeuge neu eingelöst. Der Grund: Der Mangel bei den Mikrochips und bei Bauteilen für die Fahrzeugproduktion. Energeiaplus ordnet die Zahlen mit Christoph Schreyer, Leiter energieeffizienter Verkehr beim Bundesamt für Energie ein.
Energeiaplus: Was sind die wichtigsten Veränderungen bei der Schweizer Neuwagenflotte im vergangenen Jahr?
Christoph Schreyer: Die CO2-Emissionen der Neuwagenflotte sind 2022 um 6.9% gegenüber dem Vorjahr 2021 auf 120.9 g CO2/km gesunken, der WLTP-Zielwert von 118 g CO2/km ist damit in Reichweite. Dies ist nach 2020 die zweithöchste Reduktion bei den Flottenemissionen. Grund hierfür ist die zunehmende Elektrifizierung der Neuwagenflotte, mehr als jedes vierte neue Auto hatte 2022 eine externe Auflademöglichkeit, knapp 18% waren rein batterieelektrische Fahrzeuge. Das ist erfreulich, die Importeure haben hier grosse Anstrengungen übernommen, um mehr Steckerfahrzeuge abzusetzen. Man sieht das auch gut an der Werbung. Vor ein paar Jahren war Werbung für Elektrofahrzeuge noch eine Seltenheit, heute dominieren Fahrzeuge mit Stecker die Werbung im Autohandel. Auch bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wurden ein Verbrauchsrückgang festgestellt. Benzinfahrzeuge verbrauchten im Schnitt 2.2% und Dieselfahrzeuge 3.4% weniger.
Die Sanktionsbeträge sind dadurch nochmals deutlich zurückgegangen, 85% aller Grossimporteure haben ihre Flottenziele erreicht, die gesamten Sanktionen bei den Personenwagen belaufen sich auf 16.4 Mio. Franken.
Zugenommen haben Leergewicht und Leistung der Neuwagenflotte. Ein durchschnittliches Neufahrzeug wiegt 2022 1’751 kg, das sind 28 kg mehr als 2021. Und auch die Leistung hat zugenommen. Der durchschnittliche Neuwagen hatte im vergangenen Jahr 211 PS, das sind 9 PS oder 4.5% mehr als im Jahr 2021. Beides ist auch bedingt durch die zunehmende Elektrifizierung der Neuwagenflotte. E-Fahrzeuge haben im Schnitt ein um 16% höheres Leergewicht als die Gesamtflotte.
Was fällt sonst noch auf?
Unser Bericht zeigt einige interessante Zusammenhänge auf, wie beispielsweise denjenigen zwischen Leergewicht und den durchschnittlichen CO2-Emissionen. Bis noch vor wenigen Jahren haben die CO2-Emissionen mit steigendem Leergewicht linear zugenommen. Dieser Trend zeigt sich aktuell nur noch bis zur Leergewichtskategorie zwischen 1’600 und 1’800 kg. In dieser Gewichtskategorie sind die durchschnittlichen CO2-Emissionen mit 150 g CO2/km am höchsten, in den nachfolgenden Kategorien sinken die durchschnittlichen CO2-Emissionen wieder. In der Gewichtsklasse zwischen 2 und 2.2 Tonnen sind die Emissionen mit 93 g CO2/km am tiefsten. In dieser Gewichtsklasse befinden sich zahlreiche volumenstarke batterieelektrische Fahrzeuge wie beispielsweise das Model Y von Tesla.
Dies zeigt, dass E-Fahrzeuge gerade in der oberen Mittelklasse und Oberklasse besonders hohe Marktanteile haben und E-Fahrzeuge in der Kleinwagen- und Kompaktklasse noch weniger populär sind. Hier, in der Einsteiger-Klasse, fehlt aktuell auch noch das Angebot an attraktiven Modellen. Dies sollte sich aber nach den Ankündigungen der Hersteller in nächster Zeit ändern.
Auffallend auch: Der durchschnittliche Preis von Neuwagen lag im vergangenen Jahr basierend auf unseren Auswertungen bei 50’840 Franken gegenüber 47’930 Franken im 2021. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der russische Angriff auf die Ukraine hat gerade die Automobilindustrie in Europa besonders stark getroffen: Wichtige Zulieferer für Kabelbäume in der Ukraine fielen aus, die weltweiten Lieferketten, die sich nach dem Abflauen der Coronakrise langsam wieder erholt hatten, wurden abermals gestört und Mikrochips waren weiterhin Mangelware. Dies führte zu einem rückläufigen Fahrzeugangebot. Die sonst üblichen Rabattschlachten zur Ankurbelung des Absatzes fielen weitgehend aus und die erhältlichen Chips wurden primär in Fahrzeugen mit höheren Margen und besserer Ausstattung eingebaut.
Zuletzt ist auch der Vergleich bei der Elektrifizierung der wichtigsten Marken spannend. Während die Top 5 Marken in der Schweiz mit den höchsten Marktanteilen (VW, BMW, Mercedes-Benz, Audi und Skoda) einen Steckeranteil von 20% und höher hatten, lag dieser beim Sechstplatzierten Toyota mit 6% ausserordentlich tief.
Der Neuwagenbericht zeigt auch kantonale Unterschiede im Neuwagenmarkt auf, was sind hier die Besonderheiten?
Der Kanton Zug belegt gleich in drei Kategorien eine Spitzenposition. In Zug werden schweizweit die meisten Elektroautos (BEV+PHEV), die schwersten sowie die teuersten Fahrzeuge zugelassen. Bei den durchschnittlichen CO2-Emissionen war Zug im Jahr 2021 noch auf dem wenig rühmlichen Platz 1 (144.8 g CO2/km). Im vergangenen Jahr lag der Kanton mit 123.3 g CO2/km zwar noch über dem landesweiten Durchschnitt von 120.9 g CO2/km, hat sich aber um 9 Plätze in Richtung mehr Effizienz verbessert. Neu haben Neuzulassungen in den beiden Appenzell die höchsten CO2-Emissionen, dies aus ganz unterschiedlichen Gründen. In Appenzell Ausserrhoden ist der 4×4 Anteil kombiniert mit einen unterdurchschnittlichen Steckeranteil für die hohen Emissionen verantwortlich. In Appenzell Innerrhoden spielt der hohe Mietwagenanteil und der schweizweit mit Abstand tiefste E-Fahrzeuganteil die entscheidende Rolle. Schweizer Effizienzmeister sind auf dem geteilten ersten Platz die Kantone St. Gallen und Waadt, dicht gefolgt von Obwalden, Fribourg und dem Kanton Thurgau.
In Graubünden haben 4 von 5 Neuwagen einen Allradantrieb, gefolgt von Appenzell (73%), Schwyz (65%), Zug (65%), Wallis (62%), Uri (61%), Glarus (59%) und Nidwalden (58%). Von den absoluten Absatzzahlen her werden in diesen 8 Kantonen jedoch weniger Allradfahrzeuge zugelassen als im Kanton Zürich.
Bei den neuen E-Autos zeigt sich, dass deren Verbrauch 2022 gegenüber dem Vorjahrleicht zugenommen hat. Wie erklären Sie sich das?
Der Verbrauch der der neuen E-Fahrzeuge (BEV) lag 2022 bei 19.07 kWh/100 km und damit um 0.16 kWh/100 km oder 0.8% höher als im Vorjahr. Umgerechnet in Benzinäquivalente entspricht dies einem Durchschnittsverbrauch von 2.1 Liter Benzin auf 100 km. Die ersten vier Plätze in den Top 10 der E-Autos in der Schweiz im letzten Jahr belegen Fahrzeuge wie Teslas Modelle Y und 3, der Skoda Enyaq sowie der Audi Q4 e-tron, alles Fahrzeuge der oberen Mittelklasse. Hier ist der Kontext wichtig: Was würden solche Fahrzeuge als Verbrenner verbrauchen? Im Schnitt verbrauchte ein durchschnittlicher Benziner inkl. Hybridversionen im letzten Jahr 6.8 Liter Benzin, ein durchschnittliches Dieselfahrzeug 7.2 Liter auf 100 km (umgerechnet in Benzinäquivalente). Der Verbrauch der E-Fahrzeuge liegt also um über einen Faktor 3 tiefer als bei vergleichbaren Verbrenner. Auch der Verbrauch von Benzin- und Diesel-Plug-in Hybriden liegt mit 3.7 bzw. 3.9 Litern Benzinäquivalenten auf 100 km fast doppelt so hoch wie derjenige von reinen E-Fahrzeugen. Mit dem bereiter werdenden E-Fahrzeugangebot in der Klein-, Mittel-. und Kompaktklasse wird sich der Durchschnittsverbrauch in den kommenden Jahren voraussichtlich deutlich reduzieren.
Zuletzt spielen auch noch technische Details der Zulassungsdaten eine Rolle. Der Grossteil der E-Autos wurde im vergangenen Jahr noch auf Basis von sogenannten Typengenehmigungen zugelassen. Diese fassen verschiedene Fahrzeugversionen eines Modells zusammen und enthalten jeweils den maximalen Verbrauch bzw. das maximale Leergewicht dieser Fahrzeugversionen. Anders als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und CO2-Emissionen über 0 g CO2/km haben die Importeure für E-Fahrzeuge kaum fahrzeugscharfe COC-Daten eingereicht. Dies führt auch dazu, dass der Verbrauch der E-Fahrzeuge in der diesjährigen Statistik tendenziell überschätzt sein dürfte. Mit der Umstellung auf fahrzeugscharfe Zulassungsdaten auch bei den E-Fahrzeugen werden dann auch die Daten genauer.
Interview: Fabien Lüthi, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Shutterstock, Stock Photo ID: 515877400; Scharfsinn
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