Was müssen Gemeinden punkto E-Mobilität wissen?
Bei der dynamischen Entwicklung der Elektromobilität spielen Gemeinden und Städte eine wichtige Rolle, und es stellen sich ihnen neue Herausforderungen aber auch Chancen. Was erfordert die Planung von Ladestationen auf öffentlichem Grund? Wie geht man als gutes Vorbild voran? Und wie kann man der Bevölkerung die Elektromobilität näherbringen? Der Handlungsleitfaden für Gemeinden von Energie Schweiz unterstützt Gemeinden und Städte, die Chancen der Elektromobilität für sich zu nutzen.
Den Handlungsleitfaden Elektromobilität für Gemeinden gibt es seit 2017. Nun wurde er auf den neusten Stand gebracht. Die neue Auflage ist seit Ende Januar 2022 unter Elektromobilität für Gemeinden (local-energy.swiss) abrufbar.
Der Leitfaden richtet sich in erster Linie an Entscheidungsverantwortliche in Gemeinden und Städten und an verwaltungsinterne Fachpersonen für Energie, Verkehr, Umwelt, Bau und Raumplanung. Er enthält Massnahmenvorschläge, Beispiele aus der Praxis sowie weiterführende Informationen und Kontaktstellen, und er soll den Gemeinden und Städten als Inspiration dienen, wie sie ihre Mobilität nachhaltig gestalten können. In vier Handlungsfeldern «Planung», «Vorbildfunktion», «Information & Beratung» und «Infrastruktur & Dienstleistungen» können sie aktiv werden.
Handlungsfeld Planung: Wie können Gemeinden und Städte eine Elektromobilitätsstrategie und ein Elektromobilitätskonzept entwickeln, und auf was kommt es dabei an? Die Berner Gemeinde Münsingen hat beispielsweise ein Elektromobilitätskonzept als Teil des bestehenden Richtplans Mobilität erstellen lassen. Darin werden zielführende Rahmenbedingungen festgelegt, die die Elektromobilität im Ort vorantreiben und somit einen positiven Beitrag zur Energiewende leisten. Das Massnahmenkonzept bringt Vorteile für die gesamte Region wie reduzierte Feinstaub- und Lärmbelastung und eine verbesserte Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum.
Weiter können Gemeinden und Städte ihre Raum- und Verkehrsplanung auf die Bedürfnisse der Elektromobilität auslegen, wodurch unter anderem Nachrüstungskosten eingespart werden können. Die Stadt Lausanne geht in ihrer Verkehrsplanung sogar noch weiter und plant ab 2030 ein Fahrverbot für fossil betriebene Fahrzeuge. Dazu werden einerseits Radwege, Fussgängerzonen und der ÖV ausgebaut und öffentliche Parkplätze reduziert. Anderseits setzt die Stadt auf Elektromobilität und fördert den Bau von öffentlich zugänglichen Ladestationen.
Handlungsfeld Vorbildfunktion
Schneeräumung mit dem elektrischen Spezialfahrzeug? In der Gemeinde Le Chenit ist das bereits Realität. Die Gemeinde ist so überzeugt davon, dass sie sich ein weiteres solches Spezialfahrzeug beschafft und so langfristig Betriebskosten spart. Auch andere Gemeinden setzen beim Fuhrpark der technischen Betriebe auf elektrische Fahrzeuge und gehen damit als gutes Vorbild voran. Der Fuhrpark der Gemeinde Mendrisio beispielsweise umfasst bereits neun Elektrofahrzeuge und 20 E-Bikes. Derzeit wird im Rahmen der «Strategie Mendrisio 2030» getestet, bei welchen Fahrzeugen der Umstieg möglich ist und welche Modelle sich dabei am besten eignen.
Öffentliche Verwaltungen können zudem eine Vorbildrolle übernehmen, indem sie neben der Umstellung des Fuhrparks auf elektrische Fahrzeuge auch ihren Mitarbeitenden ein nachhaltiges Mobilitätsangebot bieten. Beispielweise mit Sharing-Angeboten, Veloförderung oder einem gezielten Parkplatzmanagement für Elektrofahrzeuge und Carpooling.
Handlungsfeld Information & Beratung
Um die Bevölkerung und das lokale Gewerbe für die Elektromobilität zu gewinnen, ist gezielte Information und Beratung wichtig. Im St. Gallischen Wil geschieht dies auf spielerische Weise. Das städtische Programm «Spiel Wil» organisiert Events, an denen sich die Bevölkerung rund um das Thema Energie informieren kann. Inspirationen dazu, wie man eine nachhaltige Mobilität der Bevölkerung näher bringen kann, bietet die Programm-Website www.spielenergie.ch.
Zudem bietet die Stadt mit ihrem MONAMO-Projekt einen innovativen Ansatz für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Mobilität. Dafür präsentierte sie am Wiler E-Autotag 2021 verschiedene Prosumer-Sorglospakete. Das Sorglospaket für Mehrfamilienhäuser kombiniert eine Photovoltaikanlage mit einem Batteriespeicher und E-Carsharing-Angeboten. Zudem konnte die Bevölkerung Testfahrten mit Elektrofahrzeugen machen und so das neue Fahrgefühl kennen lernen. Um über die Elektromobilität informieren und beraten zu können, ist der Aufbau von Know-how in der Verwaltung relevant. Auch dazu gibt der Handlungsleitfaden Hilfestellung und stellt nützliche Links zur Verfügung.
Handlungsfeld Infrastruktur & Dienstleistungen
Wie viele Elektrofahrzeuge wird es zukünftig in der Gemeinde oder der Stadt geben? Wie hoch wird der Strombedarf und welche Ladeinfrastruktur wird notwendig sein? Welche Rolle nehmen Gemeinden und Städte beim Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur ein? Diese Fragen erörtert das vierte Handlungsfeld «Infrastruktur und Dienstleistungen». Wichtig ist dabei die Bedarfsanalyse: Die richtige Infrastruktur soll dort gebaut werden, wo sie auch wirklich gebraucht wird. Zum Thema «Laden im öffentlichen Raum» haben Energie Wasser Bern (ewb) und das Tiefbauamt der Stadt Bern 2019 ein Pilotprojekt gestartet, bei dem in zwei Berner Quartieren öffentliche Ladestationen zur Verfügung gestellt werden. Das Projekt richtet sich besonders an Anwohner und Anwohnerinnen, die keinen privaten Abstellplatz haben, aber dennoch auf ein Elektroauto umsteigen möchten.
Entdecken Sie weitere Best-Practice-Beispiele und Handlungsmöglichkeiten für Gemeinden und Städten im Handlungsleitfaden und auf der Website Elektromobilität für Gemeinden (local-energy.swiss).
Charlotte Lienhard, Fachspezialistin Mobilität, Bundesamt für Energie
Das achte Mobilservice Webinar „Elektromobilität: Förder- und Handlungsmöglichkeiten für Gemeinden“ findet am 21. Juni 2022 von 16.30 bis 17.45 Uhr auf Deutsch statt und ist dem Thema Elektromobilität gewidmet (mit Unterstützung von EnergieSchweiz und mit Bezug zum News Dossier Elektromobilität: Roadmap 2025 und Handlungsleitfaden für Gemeinden).
Zurzeit ist die Förderung der Elektromobilität betreffend CO2 kontraproduktiv. In der relevanten Systembetrachtung des europäischen Netzverbundes und in Anbetracht dessen, dass die Schweiz meistens Nettostromimporteur ist, hat zusätzliche Stromnachfrage durch E-Autos (oder auch durch Wärmepumpen) zur Folge, dass im Netz zusätzlicher Kohle- und Gasstrom produziert werden muss. Dadurch nimmt die CO2-Belastung nicht ab, sondern zu!