Im Namen der Sicherheit – Wie BFE-InspektorInnen die Staumauern kontrollieren
Wenn die Erde bebt in der Schweiz, so wie Ende Oktober 2020, löst das einen Alarm beim Bundesamt für Energie aus. Und zwar in der Sektion, die die Aufsicht über die Stauanlagen hat. Sie weist die BetreiberInnen der Stauanlagen an, sofort zu überprüfen, ob und wie ihre Anlage betroffen ist. Doch: die Aufsicht des BFE beschränkt sich nicht auf solche ausserordentliche Ereignisse. Die Stauanlagen werden konstant und regelmässig kontrolliert, von den BetreiberInnen und dem BFE – und das ist alles andere als nur ein Bürojob.
Wanderschuhe, eine gelb-leuchtende Arbeitsjacke, wie sie die Leute auf dem Bau tragen, und ein Helm mit Taschenlampe: Zwischen August und Ende Oktober ist das häufig das Arbeits-Tenue von Milaine Côté.
Milaine Côté ist Ingenieurin und im Bundesamt für Energie (BFE) zuständig für die Aufsicht von 32 Talsperren im Unterwallis. Insgesamt sind 202 Talsperren unter Bundes-Aufsicht. Neben Milaine Côté sind noch sechs weitere FachspezialistInnen im BFE damit beschäftigt.
Und das heisst: Sicherheitsberichte kontrollieren, die die Stauanlagen-Betreiberinnen abliefern, deren Plausibilität überprüfen auch mit Modellberechnungen, immer mit dem obersten Ziel, die Sicherheit der Bevölkerung, die unterhalb dieser Talsperren leben und arbeiten, zu garantieren. Das bedeutet für Milaine Côté und ihre KollegInnen, Diagramme, Graphiken, Interpretationen und Empfehlungen in den Berichten der Betreiberinnen kontrollieren, allfällige Massnahmen anordnen. Viel Büroarbeit, aber eben nicht nur!
Inspektion an der Landesgrenze
Zu Milaine Côtés Aufgaben gehört auch die Inspektion vor Ort. Vom Gesetz sind für grosse Talsperren mindestens zwei solche Kontrollen in fünf Jahren vorgeschrieben. An diesem Tag ist Vieux Emosson dran. Diese Talsperre liegt auf 2’200 Metern über Meer im Wallis an der Grenze zu Frankreich.
Bei früheren Inspektionen im Winter ist Milaine Côté manchmal mit dem Helikopter hochgeflogen, wenn die schmale Bergstrasse nicht befahrbar war. Mit dem Bau des neuen Pumpspeicherkraftwerks im Fels drin, das ab Sommer 2021 Strom produzieren soll, ist das nicht mehr nötig.
Nun führt ein neun Kilometer langer steiler Zufahrtstunnel von Le Châtelard aus an den Fuss der Staumauer.
«Eine Staumauer lebt»
Der Geschäftsleiter des Werks führt die BFE-Inspektorin an diesem Tag durch die Mauer. Vor einem Tor mitten im Fels parkiert er sein Fahrzeug. Von da geht es zu Fuss weiter. Schwindelfrei zu sein, ist dabei von Vorteil und klaustrophobisch sollte man auch nicht sein. Denn: Es geht durch enge Gänge, die Taschenlampe auf dem Helm gibt Licht. Steile, lange Stahltreppen und –leitern verbinden die Gänge auf den verschiedenen Niveaus innerhalb der Staumauer. Sie besteht aus 15 Beton-Blöcken.
Milaine Côtés Aufgabe ist es, den Zustand der Mauer zu begutachten. «Eine Staumauer lebt, die bewegt sich, mehrere Zentimeter pro Jahr. Das ist kein statisches Bauwerk.» Die Frage ist, bewegt sich die Mauer, so wie man das mit Modellrechnungen vorausgesagt hat. Wie steht es um die Fugen zwischen den einzelnen Betonblöcken, wieviel Druck lastet auf der Mauer, gibt es auffällige Deformationen, Wassereinschüsse, und so weiter.
Der Messbecher als Hilfsmittel
«Dass Wasser aus Ritzen austritt, ist durchaus nichts Ungewöhnliches, wieviel ist entscheidend », sagt Milaine Côté und zeigt auf den Sickerwasserkanal am Boden, durch den Wasser abfliesst. Dieser Wasserabfluss wird automatisch gemessen, und zur Überprüfung auch mal von Hand mit einfachen Mitteln, einem Messbecher, wie man ihn beim Kochen braucht. Je nachdem, wie schnell sich der Messbecher füllt, deutet dies darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Wichtig sei, dass das Wasser abfliessen kann und es keine Ansammlungen gibt.
Fast drei Stunden dauert die Inspektion von Vieux Emosson. Milaine Côté inspiziert die Messgeräte, die in regelmässigen Abständen an den Wänden angebracht sind. Es sind Messgeräte, die die Bewegungen der Mauer und auch des Felsfundaments messen, die Temperatur des Betons, den Wasserstand, den Druck.
Wichtig: Das Handy
Bei einem Druck-Messgerät stoppt Milaine Côté etwas länger. Es zeigt einen unerwartet hohen Druck an, Milaine Côté notiert sich die Zahl in ihrer Checkliste – von Hand. Da und dort zückt Milaine Côté ihr Handy, um ein Foto zu machen von Kalkablagerungen an den Mauern oder von einem Messgerät.
Vieux Emosson ist besonders. Die Staumauer war 2014 um 20 Meter erhöht worden für das neue Pumpspeicherkraftwerk im Fels drin. Bevor dieses seinen Betrieb aufnehmen kann, muss sicher gestellt sein, dass die Staumauer der Belastung eines vollen Stausees Stand halten kann.
Milaine Côté macht draussen noch ein paar Bilder von der Mauer. Dann packt sie packt Handy und Checkliste ein. Am Tag darauf wartet schon die nächste Inspektion.
Brigitte Mader, Kommunikation Bundesamt für Energie
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