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Einblick in das Herz der Erdgeschichte


Für diesen Blogbeitrag verliess ich meinen Schreibtisch und begab mich auf Spurensuche. Ich besuchte die Forschungsgruppe Quartärgeologie und Paläoklimatologie im Institut für Geologie in Bern und tauchte in die Tiefen der Erdgeschichte ein. Bereits im Juni konnte ich eine der Quartärbohrungen besichtigen, die für die Standortsuche geologischer Tiefenlager durchgeführt werden. Im Institut für Geologie erhielt ich Einsicht in den Schatz der Bohrung – den Bohrkern. Wie sieht nun das Innere der Erde aus? Was genau geschah im Quartär, dem jüngsten geologischen Zeitabschnitt?

Die Faszination für die einen Meter langen, in Rohre verpackten Bohrkerne ist bei allen Anwesenden spürbar. Wir spalten einen Bohrkern aus der Bohrung in Gebenstorf-Vogelsang, um dessen Geheimnis zu lüften. Was für mich wie ein einfaches Stück Sand aussieht, ist für die Forschenden ein einmaliges Archiv der Geschichte unserer Erde. Wie Spurenlesende suchen sie nach Hinweisen auf Geschehnisse in der Vergangenheit, um zukünftige Prozesse abzuschätzen.

Was dieses «Stück Sand» über die jüngste Erdgeschichte aussagt, ist beeindruckend. Die Erstbeschreibung ergibt, dass der vorliegende Bohrkern wahrscheinlich aus Sedimenten stammt, die einst in einem Gletschersee abgelagert wurden. Der Gletschersee, so vermuten die Geologin und die Geologen, hatte sich in einem tiefen Becken gebildet, das durch die Erosion des Gletschers entstand und sich dann mit Wasser füllte. Beim genauen Betrachten des Kerns zeigen sich feine helle Striche. Dies sind feinkörnige Zwischenlagen, die darauf hinweisen, dass der Sand bei Strömungsereignissen abgelagert wurde. Auf diese folgten ruhige Ablagerungsbedingungen, in denen sich feine Partikel aus dem trüben Gletschersee-Wasser absetzten. Wären diese Sedimente noch feiner, würde dies darauf hindeuten, dass die Sedimente aus dem Zentrum des ehemaligen Sees stammen und der einstige Gletscher möglicherweise weiter entfernt war. In anderen Abschnitten beobachtet die Forschungsgruppe noch grobkörnigere Kiese, die z. B. einen einstigen Fluss anzeigen. Besonders wichtig sind aber unruhigere, schlecht sortierte Sedimente, die aus einem Gemisch aller Korngrössen bestehen. Diese können darauf hinweisen, dass der Gletscher in unmittelbarer Nähe lag und sich allenfalls sogar über diese Sedimente hinwegbewegt hat. Solche Beobachtungen verfolgen die Geologin und die Geologen über alle Bohrkerne und können so das Auffüllen dieses Beckens, lang vergangene Gletschervorstösse und damit Veränderungen des Klimas und der Landschaft rekonstruieren.

Die Kerne werden nach der Erstbeschreibung luft- und lichtdicht verpackt und kühl gelagert. So wird sichergestellt, dass die Kerne den weiteren geplanten Analysen zur Verfügung stehen und dieses «Fenster» in die Erd- und Klimageschichte nicht verloren geht. Mit vielen neuen Informationen bereichert, verlasse ich das Labor. Als Nicht-Geologin war dies ein spannender Ausflug in eine andere Welt, die nur wenige Meter unter der Erdoberfläche verborgen ist und mehrere hunderttausende Jahre vor meiner Zeit stattfand.

Seraina Branschi, Fachspezialistin Grundlagen Entsorgung

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