Am 30. November 2016 hat die Europäische Kommission unter dem Titel „Saubere Energie für alle Europäer“ ein umfangreiches Paket mit Gesetzesvorschlägen und Berichten zur Umsetzung der Energieunion vorgelegt. Die Vorschläge sollen den europäischen Strombinnenmarkt und die erneuerbaren Energieträger fit für die Zukunft machen und die Erreichung der Klima- und Energieziele bis 2030 sicherstellen. Für die Schweiz sind insbesondere die Pläne für ein neues Strommarktdesign von Bedeutung.
Die Kommission möchte damit die Regeln für den europäischen Strombinnenmarkt an die zunehmend dezentrale und fluktuierende Stromerzeugung anpassen. Die neuen Gesetze regeln sowohl die Einspeisung von erneuerbaren Energieträgern als auch die grenzüberschreitende Kooperation zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Des Weiteren werden grundsätzliche Prinzipien für einen marktbasierten, grenzüberschreitenden Strommarkt festgelegt. Insbesondere der Kurzfristhandel soll stark ausgebaut werden. Eine weitere Priorität der Kommission ist die Stärkung der Konsumenten, damit diese besser am Wandel der Energiemärkte teilnehmen und davon profitieren können.
Dass die EU ihr Strommarktdesign den neuen Gegebenheiten im Strombereich anpassen will, ist aus Schweizer Sicht zu begrüssen. Die Vorschläge der Kommission gehen in eine sinnvolle Richtung. Gelingt es der EU, den europäischen Strommarkt zu stärken, ihn flexibler zu machen und marktverzerrende nationale Alleingänge zurückzubinden, kommt dies über tiefere Preise, stabile Rahmenbedingungen und erhöhte Versorgungssicherheit auch der Schweiz zu Gute. Ob die Schweiz davon profitieren kann, hängt aber stark vom Vorhandensein eines bilateralen Stromabkommens ab. Bleibt ein solches bis 2020 aus, droht sich die Schere zwischen der Regulierung der Schweiz und der EU weiter zu öffnen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit würde damit noch einmal zusätzlich erschwert und die Schweizer Konsumenten und Produzenten gegenüber ihren Nachbarn weiter benachteiligt.
Im Bereich der Versorgungssicherheit schlägt die Europäische Kommission vor, vermehrt regional zusammenzuarbeiten. Krisensituationen im Stromsektor – hervorgerufen beispielsweise durch extremes Wetter, Cyberattacken, oder Brennstoffmangel – wirken sich oft grenzüberschreitend aus und die Kommission möchte den legislativen Rahmen dahingehend anpassen. Die Schweiz ist über das Pentalaterale Energieforum bereits stark in die Diskussion über regionale Versorgungssicherheit eingebunden. Gemeinsam mit Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich, Deutschland und Österreich arbeitet sie an konkreten Lösungen, um die Stromversorgung in der Region zu verbessern. Für die Versorgung der Schweiz ist diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit unabdingbar. Die Vorschläge der Kommission sind daher zu begrüssen, solange sie die Teilnahme der Schweiz am Pentalateralen Energieforum nicht in Frage stellen.
Das gesamte Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ umfasst über tausend Seiten. Neben Strommarktdesign und Versorgungssicherheit beinhaltet es weitere Themen wie erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Gebäude und Governance. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Vorschläge der Kommission erst den Beginn eines langen und komplexen Verfahrens markieren. Die Richtlinien und Verordnung werden von Mitgliedstaaten und Parlament noch stark angepasst werden. Die Verabschiedung des Pakets wird auf Ende 2018 erwartet.
Stefan Dörig, Energierat, Mission der Schweiz bei der EU in Brüssel
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