Man konnte es am 5. Oktober in der Sonntagszeitung lesen (Der teure Weg in die Freiheit: Elektrizitätswerke verrechnen zu viel für Stromzähler, Jürg Meier): Es beginnt nun eine Debatte nicht nur über die volle Strommarktöffnung sondern auch über die Öffnung des Messwesens im Strommarkt. Denn nicht wenige Elektrizitätsunternehmen nutzen die Stromzähler, um sich einen Zusatzgewinn zu sichern. Zwar hat die ElCom schon 2011 jährliche Messkosten von bis zu 600 Franken als „nicht auffällig“ bezeichnet, doch verlangen einzelne Elektrizitätsunternehmen noch immer bis zu 1‘400 Franken, weil so in alter Monopolmanier relativ einfach Geld verdient werden kann.
Im SoZ-Artikel wird SP-Nationalrat Roger Nordmann, Präsident von Swissolar, mit dem schönen Satz zitiert: „Die Messkosten sind eine Hürde auf dem Weg in den freien Markt„. Diese Aussage freut mich, denn sie zeigt, dass wir den Weg in einen freien Strommarkt gemeinsam gehen müssen. Gleichzeitig ist er auch ein Beweis dafür, dass es eben den zweiten Schritt der Marktöffnung braucht: Nur so haben die Elektrizitätsunternehmen den nötigen Druck, um sich definitiv von der Monopolwelt zu verabschieden, sich umfassend auf Wettbewerb einzustellen und ihre Businessmodelle definitiv neu zu gestalten. Einzelne Elektrizitätsunternehmen werden dann über „make-or-buy“ entscheiden: Die Messungen selbst durchführen oder diese Aufgabe zu Wettbewerbskonditionen einem spezialisierten Anbieter übergeben. Wettbewerbssituationen wie die vollständige Marktöffnung schaffen Raum für Innovationen und neue Anbieter, welche die Leistungen besser, günstiger oder kundenfreundlicher anbieten.
Heute geht die Vorlage für die volle Strommarktöffnung in die Vernehmlassung. Alle wesentlichen Akteure sollen nochmals konsultiert werden, bevor das Parlament über die Vorlage entscheidet. Von der vollständigen Öffnung des Strommarkts werden vor allem die kleineren Konsumentinnen und Konsumenten profitieren, insbesondere Gewerbebetriebe. Sie werden sich künftig periodisch mit ihren Stromkosten befassen, Offerten einholen und vielleicht einen anderen Anbieter wählen. Aber auch Haushaltkunden erhalten endlich die freie Wahl und können sich ihren Strom-Mix und ihre Dienstleistungen massgeschneidert aussuchen, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen. Wesentlich ist aber, dass die Elektrizitätsunternehmen durch den Wettbewerb motiviert werden, neue Dienstleistungen anzubieten: Für den Haushaltkunden steht der Preis pro Kilowattstunde vielleicht nicht im Zentrum, aber er will ein kluges Kombi-Angebot für seine Photovoltaik-Eigenproduktion und seinen Haushalts-Energiekonsum, er erwartet eine kompetente Energieberatung und Vorschläge zum Energiesparen. Da will er zwischen den Angeboten verschiedener EWs aussuchen und das ihm zusagende Produkt auswählen. Vom Elektrizitätsunternehmen werden dann vielleicht auch finanziell attraktive Vorschläge kommen, wie die alte Heizung ersetzt und eine effiziente Wärmepumpe installiert werden kann. Angedacht wurden derartige kundenorientierte Konzepte bereits vor 20 Jahren als beispielsweise die Cracks der BKW erstmals eine verstärkte Kundenorientierung anvisierten und feststellten, dass es primär auch eine neue Denkhaltung braucht (Nachfrage-Management: Unternehmerisches Konzept für Elektrizitätswerke, Fritz Spring).
Die jetzige Vorlage bringt den Konsumentinnen und Konsumenten Vorteile, zudem wird ihre Position durch verschiedene Bestimmungen gestärkt. Es sollen dieselben Prinzipien gelten wie auf dem Telefonmarkt: Erstens fallen keine Wechselkosten an. Zweitens kann, wer im freien Markt mit den Leistungen des neuen Anbieters nicht zufrieden ist, nach einem Jahr problemlos zurück zum alten Anbieter wechseln. Kundinnen und Kunden, die gar nicht auf den Markt wollen, profitieren vom WAS-Modell, dem Wahlmodell mit abgesicherter Grundversorgung, dessen Tarife von der ElCom geprüft und wenn nötig herabgesetzt werden.
Die Vernehmlassungsvorlage zur vollen Strommarktöffnung zeigt auch, dass wir nicht einfach das hohe Lied des „freien Marktes“ singen, sondern genau wissen, dass Markt immer eine organisierte Veranstaltung sein muss: Es gilt, klare Regeln in Gesetz und Verordnung zu formulieren sowie die ElCom als kompetenten und schlagkräftigen Schiedsrichter auch für die nächste Phase richtig zu positionieren. Zusätzlich haben Preisüberwacher sowie Wettbewerbskommission ein wachsames Auge auf Strommarkt und Preisentwicklung.
Wir sind auf die Vernehmlassungsantworten gespannt und freuen uns auf die Diskussionen.
Walter Steinmann, BFE-Direktor
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