Sonnenwärme auf direktem Weg nutzen
Die Sonne wärmt, das ist bekannt. Doch wie lässt sich diese Wärme auch in Häusern effizient nutzen? Wir haben Hausbesitzer besucht, die überzeugende Lösungen gefunden haben und die Solarthermie in ein stimmiges Gesamtkonzept integriert haben.
Unser Objekt, ein gelbes Haus, steht an einer verkehrsberuhigten Strasse im Berner Kirchenfeld. Am eisernen Tor hängt ein Schild: «Minergie». Daneben eine Auszeichnung zum Solarpreis 2014. Beides erstaunt, denn das Haus im Neobarockstil wurde 1898 erbaut. Es ist denkmalgeschützt und seit mehr als 80 Jahren in Familienbesitz. In der gemütlichen Stube sitzt Manuel Hutterli. Hinter ihm stapeln sich geometrisch-dekorativ Holzscheite für den Kaminofen, der eine wichtige Funktion erfüllt: Er spendet behagliche Wärme und war zeitweise, während der energetischen Renovation in mehreren Etappen bis 2015, das alleinige Heizsystem. Der Einbau der Wärmepumpe mit Erdwärmesonde verzögerte sich.
Optimales Energiesystem
«Ja, wir sind Minergie-zertifiziert, tatsächlich», sagt er. Das Haus, bewohnt vom Physiker-Ehepaar Manuel Hutterli und Regine Röthlisberger sowie den Kindern, der dritten und vierten Generation also, enthält ein optimal angepasstes Energiesystem. «Wir mussten damals Systemgrenzen überwinden», sagt er. Entsprechend lang die Planungszeit, von 2008 bis 2011. «Wir wollten aufgrund der knappen und verwinkelten Dachflächen Solarthermie und Photovoltaik effizient einsetzen und mit anderen Technologien optimal zusammenführen – ein optimales Energiesystem für unser Haus schaffen.» Jede nicht genutzte solare Kilowattstunde ist für Manuel Hutterli eine Ressourcenverschwendung. Darum brauche es alle zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energien in einem System.
Da zu Beginn eine herkömmliche Solaranlage aus denkmalpflegerischen Gründen nicht möglich war, entwickelte Manuel Hutterli eigens einen Schieferabsorber, der die Sonnenwärme aus dem Dachschiefer holt. «Ich bin halt ein Tüftler», sagt er achselzuckend. Die Denkmalpflege akzeptierte die unsichtbare Solarthermieanlage aus Naturschieferkollektoren, später kam noch die ursprünglich mitgeplante hybride Photovoltaikanlage (PVT) hinzu, auf dem flacheren oberen Teil des Dachs. Sie erzeugt nicht nur Strom, sondern zieht auch die Wärme von den Moduloberflächen ab und unterstützt damit die Heizung und die Warmwasseraufbereitung. Dieser Wärmeabzug kühlt die Module, was wiederum den Wirkungsgrad der Photovoltaikanlage erhöht. «Win-win!», freut sich Manuel Hutterli.
Comeback für altbekannte Technik
Solarthermie ist ein direkter Weg, Sonnenwärme zu nutzen. Bereits alte Kulturen wussten die Kraft der Sonne zu nutzen. Moderne Sonnenkollektoren wurden im 18. Jahrhundert vom Schweizer Naturforscher und Botaniker Horace Bénédict de Saussure erfunden. Und weiterentwickelt von Josef Jenni, als die Solarthermie in den 1970er-Jahren unter dem Eindruck der Ölkrise ein Comeback erlebte. Heute, fast 50 Jahre nach seinem ersten selbst gebauten Kollektor und nach dem zwischenzeitlichen Überholmanöver der Photovoltaik, sind bei Jenni die Auftragsbücher wieder voll. Denn langsam setze sich die Erkenntnis durch, dass Solarthermie den Produktionsmix fürs Haus optimiert. Solarthermie-Pionier Josef Jenni sagt: «Die Energiewende besteht nicht nur aus Solarstrom, sondern steht auf vielen Stützen, damit das System als Ganzes funktioniert.»
Josef Jenni hat mit seinen «Sonnenhäusern» gezeigt, wie Solarthermie optimal wirkt: Sie werden zu 100 Prozent mit Sonnenenergie versorgt, zu 100 Prozent mit Solarthermie beheizt. Möglich macht dies eine geschickte Kombination aus Solarspeichern, Solarthermie und Photovoltaik sowie eine gute Wärmedämmung mit wirkungsvoll angeordneten Fenstern.
Solarthermie als Selbstverständlichkeit
Justus Gallati kennt den ökologischen und ökonomischen Nutzen eines umweltfreundlichen Hauses – als Physiker sowie als Dozent und Projektleiter am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie der Hochschule Luzern. 2015 übernahm er von seiner Mutter ein altes Haus im Zentrum von Flums (SG), mit vermieteten Wohnungen und einem Dachgeschoss, das als Ferienwohnung genutzt und jetzt nach Abschluss der energetischen Sanierung ebenfalls vermietet werden soll. Bei der Erneuerung waren Renditeüberlegungen zweitrangig. Justus Gallati sagt: «Es ist eine Selbstverständlichkeit, ein so altes Haus CO2-neutral zu machen.»
Als die Ölheizung ersetzt werden musste, fackelte er nicht lange und entschied sich für eine Kombination aus Solarthermie und Pelletheizung, zumal die Fenster bereits gute Energiewerte aufwiesen und 60 Grad Vorlauftemperatur im Heizsystem genügten. Die Solarthermie unterstützt als sekundäres Heizsystem die Erzeugung von Warmwasser. Dafür war bisher ein Elektroboiler zuständig.
An Photovoltaik war auf dem kleinflächigen Dach nicht zu denken. Warum Solarthermie? Ganz einfach, sagt Justus Gallati, er wolle generell seinen Stromverbrauch niedrig halten. Aus der Erfahrung mit einem anderen Haus wusste er bereits, dass die jährliche finanzielle Einsparung eher bescheiden ausfällt. Über die Lebensdauer der Anlage rechnen sich die Investitionen jedoch schon. «Zukunftsfähigkeit mit Energieträgern aus der Nähe – das steht für mich im Vordergrund», sagt Gallati. Sein Hauptanliegen war, ein ökologisch ausbalanciertes System zu installieren. Die Sonne scheint an Ort und Stelle, die Pellets stammen aus der Region. Imponiert hat ihm auch die Anlagensteuerung mittels Wetterdaten. Das fragliche Bauteil war jedoch aufgrund unterbrochener Lieferketten für längere Zeit nicht verfügbar.
Die neue Heizung ist seit August 2022 in Betrieb, völlig störungsfrei. Der Systemwechsel hat sich für Justus Gallati gelohnt, auch wenn ihm noch keine detaillierten Daten zur Verfügung stehen. «Der Entscheid für dieses System war richtig.» Justus Gallati rät anderen Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern, ebenfalls technologieneutral an eine Erneuerung heranzugehen und sich umfassend beraten zu lassen. So beispielsweise mit einer Impulsberatung.
Projekt mit Pilotcharakter
Zurück zu Manuel Hutterli: In Zusammenarbeit mit dem Installationspartner entstand Schritt für Schritt ein optimales System, in dem jedes Element dazu beiträgt, dass Energieeinsatz, Wohlbefinden und finanzieller Nutzen im Einklang sind. Dazu hat Hutterli einigen Aufwand betrieben, so unter anderem auch die Steuerung selbst konzipiert und programmiert. «Die Solarthermie einzusetzen war nur logisch.» Sie ergänzt die gemittelte 60-Prozent-Abdeckung der Photovoltaikanlage für den Bedarf von Lüftung, Heizung, Steuerung und Warmwasser.
Die Fremdenergiezufuhr konnte um Faktor 10 reduziert werden, um mehr als Faktor 2 reduzierte sich der Stromeinkauf. Die thermische Gesamterzeugung beträgt etwa 10 000 kWh pro Jahr. «Zwei Drittel der Energie aus der eigenen Solarproduktion stammen aus Solarthermie», sagt Manuel Hutterli. Das Haus der Hutterli Röthlisbergers zeigt, was technisch möglich ist, wenn man einen Blick für das Gesamtsystem hat. «Die Voraussetzungen waren schwierig, aber wir haben unser Ziel erreicht.»
Erfahren Sie unter Solaranlagen, wie Sie in sieben Schritten zu Ihrer Solaranlage kommen. Sie möchten eine Solarthermie-Anlage installieren? Erfahren Sie mehr unter Solarwärme.
Adaptierter Text aus dem Energiejournal von EnergieSchweiz
Bild: Gerry Nitsch
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