Elektrische Liefer- und Lastwagen: Es geht schneller, als viele denken
Elektrisch angetriebene Güterfahrzeuge fristeten bislang eher ein Nischendasein. Sie standen im Schatten der elektrischen Personenwagen, deren Neuzulassungen sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt haben. Bereits mehr als jeder Vierte neue Personenwagen in der Schweiz war im vergangenen Jahr extern aufladbar, knapp jeder Fünfte ein rein batterieelektrisches Fahrzeug. Doch elektrisch angetriebene Liefer- und Lastwagen holen auf und machen immer mehr von sich reden.
Mitte Januar 2023 transportierte das Schweizer Logistikunternehmen Krummen Kerzers 20 Tonnen Orangen aus Spanien mit einem E-LKW über 3’000 km in die Schweiz. Das war Rekord. An der eNordkapp Challenge nahmen erstmals auch zwei Renault Trucks teil und erreichten das Ziel unter schwierigen Wetterbedingungen und arktischer Kälte. Auch in der Schweiz werden E-LKW hergestellt für verschiedene Anwendungen – von der Winterthurer Firma Designwerk Sie werden beispielsweise als Kehrrichtfahrzeuge aber auch Langstrecken-LKW genutzt.
Bei den neuen Lieferwagen (LNF) war 2022 bereits knapp jedes zehnte neue Fahrzeug rein elektrisch angetrieben. Mit 9.5% beträgt der Anteil bereits leicht mehr als der Anteil elektrischer Personenwagen im Jahr 2020 (8.2%). Das sind zudem mehr als doppelt so viele E-Lieferwagen als 2021 (4.5%). Die Entwicklung bei den Lieferwagen hinkt der Entwicklung bei den Personenwagen um knapp zwei Jahre hinterher. Zwar dominiert in dieser Fahrzeugkategorie nach wie vor der Dieselmotor, doch der E-Antrieb hat bei den Neuzulassungen den Benzinmotor bereits überholt.
Quelle: IVZ ASTRA, Stand 6.1.2023
Immer mehr Paketdienstleister wie z.B. die Schweizer Post oder DPD setzen elektrische Lieferwagen ein, Quickpac betreibt seine gesamte Flotte von 275 Lieferwagen rein elektrisch. Gerade im Zustellverkehr mit viel Stop&Go und planbaren Tagesfahrleistungen sind E-Lieferwagen trotz höheren Anschaffungspreisen heute pro km günstiger als Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotor.
Und wie sieht es bei den schweren Lastwagen (SNF) aus? Im Oktober 2022 waren knapp 54’000 schwere Güterfahrzeuge («LKW und Sattelschlepper») auf Schweizer Strassen unterwegs, 99% davon mit Dieselantrieb, 0.5% waren mit Erd- oder Flüssigerdgas unterwegs, 0.4% hatten einen batterieelektrischen Antrieb und 0.1% waren Brennstoffzellenfahrzeuge.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Stand 15.10.2022: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/verkehrsinfrastruktur-fahrzeuge/fahrzeuge/strassenfahrzeuge-bestand-motorisierungsgrad.html
Der Blick auf die Neuzulassungen der schweren Nutzfahrzeuge im Jahr 2022 ist jedoch aufschlussreich: im Gesamtjahr 2022 wurden insgesamt bereits 175 neue E-LKWs zugelassen, dies entspricht einem Marktanteil von 4.7% bei den neuen LKW. Damit wurden weitere alternative Antriebe wie Erdgas/Flüssigerdgas (34 neue LKW) sowie Brennstoffzellen-LKW mit Wasserstoff (3 neue LKW) deutlich übertroffen. Die Voraussetzungen für emissionsfreie LKW sind in der Schweiz ideal: für sie entfällt aktuell die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (kurz: LSVA). Dies verschafft den Betreibern über die gesamte Lebensdauer Kostenvorteile
Und diese Entwicklung geht weiter. So will beispielsweise Scania bis 2030 den Anteil an elektrischen LKW bei den Verkäufen auf 50% steigern. Volvo will bis 2030 seinen Anteil elektrischer LKW auf 35% erhöhen und arbeitet in einem Joint Venture mit Daimler Trucks für lange Strecken und schwere Lasten auch am Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzellen. 2025 sollen die ersten Fahrzeuge auf den Markt kommen.
Anders als bei Personenwagen ist die Anschaffung von Güterfahrzeugen weniger emotional, sondern vor allem ökonomisch getrieben. Verschiedene Studien beispielsweise von Agora Verkehrswende, dem International Transport Forum ITF oder Strategy&/PWC zeigen auf, dass die Gesamtkosten pro Kilometer (engl. «Total Cost of Ownership», kurz TCO) von E-LKW für viele Einsatzbereiche bereits in wenigen Jahren tiefer sein werden als diejenigen der Diesel-LKW.
Christoph Schreyer, Leiter energieeffizienter Verkehr, Bundesamt für Energie (Text und Photo)
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