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«Die Diskussion um Blockchain sollte weniger technologiegetrieben stattfinden»


Was leistet Blockchain wirklich? Wieviel daran ist Hype? Wieviel Hilfe? Eine Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts hat das untersucht und zwar anhand von verschiedenen Industriesektoren (Pharma, Konsumgüter).Ein Themengebiet dabei ist der Einsatz von Blockchain im Energiebereich. Das Ziel der Studie, über den Tellerrand schauen und voneinander lernen. Matthias Galus, Leiter des Digital Innovation Offices im Bundesamt für Energie hat an der Studie mitgearbeitet. Er erklärt im Interview mit energeiaplus, wo Blockchain nützlich sein könnte.

Energeiaplus: Digitale Werkzeuge werden auch für physische Infrastrukturen genutzt – zum Beispiel in der Energieversorgung. Wo könnte Blockchain zum Einsatz kommen?

Matthias Galus leitet das Digital Innovation Office im Bundesamt für Energie: Bild; BFE

Matthias Galus: Blockchain könnte vor allem bei Vorgängen, die automatisiert werden können, zum Tragen kommen. Bei Energielieferungen oder im Handel bei Strom, Gas oder Öl zum Beispiel. So könnte der Zwischenhandel vermieden werden. Auch beim Qualitätsnachweis bezogener Energie, sei es bei Strom oder Gas, kann ausgebaut und automatisiert werden. Blockchain könnte aber auch für die fälschungssichere Identifikation von Anlagen und/oder Akteuren in einem intelligenteren Energiesystem genutzt werden. Aktuell liegt darin das grösste Potenzial.

Wie muss man sich das mit der Qualität und dem Handel vorstellen?

Schauen wir uns den Strombereich an. Herkunftsnachweise bestätigen, von welchem Energieträger der Strom stammt, also z.B. Solar, Wasser oder Nuklear. So kann der Strommix, der beim Kunden aus der Steckdose kommt, überhaupt erst identifiziert werden. Die Energieversorger müssen ihre Kunden einmal jährlich informieren, welche Energieträger für den Strom des Endkunden eingesetzt wurden und ob dieser verkaufte Strom in der Schweiz oder im Ausland produziert wurde. Die Blockchain würde es ermöglichen, diese Informationen feiner aufzuschlüsseln, sogar nach Kraftwerk respektive einzelner Anlage und die im System notwendigen Aktionen dazu vollständig automatisieren.

Das heisst Blockchain kann helfen, die erneuerbaren Energien besser zu integrieren? Wie genau?

Absolut. Möglich wäre beispielsweise ein Register auf Blockchain-Basis, ein sogenanntes Marktstammdatenregister, in dem sich jede Anlage automatisch, also per Maschine-zu-Maschine Kommunikation, anmeldet und mit einer digitalen ID registriert, sobald sie online geht. Diese digitale ID könnte mit Blockchain realisiert und vergeben werden.
Heute werden gerade viele kleine Stromerzeugungsanlagen nicht unbedingt erfasst, respektive nur wenn sie eine Förderung erhalten. Die Blockchain-Technologie könnte es ermöglichen, die Herkunft des Stromes automatisiert bei den Erzeugungsanlagen zu erfassen, mit der digitalen ID zu verknüpfen und in einem manipulationssicheren, hochverfügbaren Blockchain-Register zu hinterlegen. Sobald der Strom gebraucht wird, wird der Eintrag entwertet.


Was wäre der Vorteil?

Einem dezentralen Energieversorgungssystem würde mit einer dezentralen Technologie begegnet und Zwischenhändler und kostenintensive Zwischenlösungen würden vermieden. Der produzierte Strom könnte viel feiner – sogar pro Anlage – ausgewiesen werden. Das kann ein Qualitätsmerkmal sein, im Sinne von «aus der Region – für die Region oder Nachbarschaft». Privathaushalte, die Strom sowohl konsumieren als auch selbst erzeugen, könnten überschüssigen Strom direkt – ohne Umwege über irgendwelche Zwischenlieferanten oder Plattformlösungen, die jedes Mal mitverdienen wollen– an Verbrauchende (Peer-to-Peer) verkaufen. Denn am Ende machen Zwischenhändler den (erneuerbaren) Strom jedes Mal ein bisschen teurer.

Und was bringt das den Konsumentinnen und Konsumenten?

Matthias Galus: Verbraucherinnen und Verbraucher haben über Blockchain Einblick in die Herkunft des bezogenen Stroms, können flexibel die Bezugsquelle wechseln und sich ihren individuellen Strommix bis hin zur Erzeugungsanlage selbst zusammenstellen. Selbst der Strompreis könnte automatisch und in Echtzeit aus dem aktuellen Angebot und der Nachfrage berechnet werden. Jedoch: solche Innovation gibt es nur mit einem offenen Strommarkt. Das Thema scheint aber in der Schweiz derzeit vom Tisch und damit wohl auch viel digitale Innovation mit Kundenfokus. Das ist schade.

Was ist die Herausforderung dabei? Welche Stolpersteine gibt es beim Einsatz von Blockchain im Energiebereich.

Es gibt verschiedene Erfolgsfaktoren, die bisher nicht gross genug zu sein scheinen in der Energiewirtschaft. Der vielleicht wichtigste Faktor ist, dass ein gewisser Vertrauensmangel bestehen muss zwischen den Anbietern des Produktes und den Nachfragern. Das könnte in einem künftigen System, das auf Peer-to-Peer Handel beruht, der Fall sein. Heute jedoch eher nicht. Der Kunde vertraut seinem Energieversorger, und zahlt dafür.

Auch muss man sich immer die Frage stellen, ob es überhaupt zweckmässig ist, auf Blockchain zu setzen oder ob eine klassische, zentrale Plattformlösung auch funktionieren würde. Oft wird Letzteres vorgezogen, da die Implementierung von Blockchain mit gewissen technischen Risiken verbunden ist, die bei klassischen Plattformlösungen geringer aus- oder gar wegfallen. Darüber hinaus ist der benötigte Grad an Datensicherheit und Cyber-Security wichtig. Gerade wenn es darum geht, IDs zu vergeben kann die Blockchain einen Vorteil mit sich bringen.

Blockchain gilt auch als grosser Stromfresser. Das spricht angesichts der aktuellen Diskussion über Strommangellagen und Versorgungssicherheit eher dagegen. Wie beurteilen Sie das?

Immer wieder erreichen uns Anfragen hierzu, auch aus dem Schweizer Parlament. Grundsätzlich gilt: Blockchain ist nicht gleich Blockchain. Es kommt auf den Konsensmechanismus an. «Proof-of-work» (ein Arbeitsnachweis, was die Blockchain-TeilnehmerInnen durch Rechenleistung verrichten müssen) wird beispielsweise bei Bitcoin verwendet und ist besonders energieintensiv. Es gibt aber auch andere, wesentlich energieeffizientere Lösungen. Wichtig zu verstehen bei Blockchain ist, dass es immer ein Trilemma gibt: Dezentralität vs. Sicherheit vs. Energieintensität.

Einen Pfeiler zu optimieren, geht immer auf Kosten der anderen beiden – wie im Energiebereich ja auch (Energie-Trilemma: Kosten – Umwelt – Versorgungssicherheit). Übrigens, das sogenannte «Mining» der Bitcoins findet kaum in der Schweiz statt, sondern im Ausland. Bitcoin ist daher wohl kaum ein Faktor bei einer Schweizer Strommangellage.

Vielen Führungspersönlichkeiten fällt es nach wie vor schwer, den kurz- und langfristigen Nutzen von Blockchain für ihr Unternehmen, ihre Institution zu bewerten. Was braucht es da in Ihren Augen?

Die Diskussion um Blockchain sollte weniger technologiegetrieben stattfinden. Es muss eher um die Frage gehen, wie Digitalisierung einen Nutzen entfalten, Prozesse effizienter gestalten und Kosten sparen kann. Der Kundennutzen muss im Vordergrund stehen. Wenn es kein Vertrauens- und Sicherheitsproblem gibt, und der Kunde nicht wählen darf, von wem oder welchen Strom er beziehen darf, dann gibt es auch kaum einen Anreiz, sich an das eher komplizierte Thema der Blockchain heranzuwagen.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn Blockchain sich durchsetzen soll?

Wir müssen an branchenweite also unternehmensübergreifende Prozessautomatisierungen denken, in denen der Konsument, die Konsumentin auch eine Rolle spielt. Das hört sich sehr technisch, fast schon langweilig an, ist aber essentiell. Ein Beispiel: Der Konsument sollte doch in der Lage sein, in einer vertrauensvollen, digitalen Umgebung seinem Dienstleister der Wahl, den Zugang zu seinen digitalen Daten per Click zu ermöglichen. Sobald der Click gemacht wurde, sollten die Daten dann über digitale Kanäle fliessen.

Doch heute sind wir noch weit davon entfernt. Das eigentliche Problem ist, wie sich über 600 Unternehmen der Schweizer Energieversorgung mit neuen Dienstleistern und Start-Ups auf eine neutrale Lösung einigen können. Wenn Blockchain hierzu dann die geeignete Technologie ist, wird sie sich durchsetzen.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
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