Mission nukleare Sicherheit: BFE-Experte an UNO-Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag
Vom 1.-26. August 2022 treffen sich in New York die 191 Vertragsstaaten zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags. Die Schweiz nimmt mit Bundespräsident Ignazio Cassis an der Konferenz teil. Die letzte Konferenz wurde 2015 durchgeführt und kann wegen den Covid-Pandemiejahren nun erst in diesem Jahr stattfinden.
Ralf Straub ist Fachspezialist Internationale Kernenergie im Bundesamt für Energie. Er ist Mitglied der Schweizer Delegation und wird in der zweiten sowie dritten Woche am UN-Hauptsitz in New York die Schweiz im Themenbereich friedliche Nutzung von Atomenergie (Pfeiler III) vertreten. Was ist seine Rolle und welche Bedeutung hat die Konferenz, wollte Energeiaplus von ihm wissen.
Energeiaplus: Was ist das für eine Konferenz und wie wichtig ist sie?
Ralf Straub: Der Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty, NPT) ist der zentrale Pfeiler der internationalen nuklearen Sicherheitsarchitektur. Alle fünf Jahre überprüfen die Vertragsstaaten die Umsetzung und Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags. Mit dem NPT und seinen drei Pfeiler bekennt sich die internationale Staatengemeinschaft dazu, das Risiko eines Atomkriegs zu reduzieren und längerfristig ganz auszuschliessen.
Er verpflichtet die fünf offiziellen Kernwaffenstaaten P5 (China, Frankreich, Grossbritannien, Russland, USA) zur Abrüstung (Pfeiler I), stellt das rechtliche Fundament für die Nichtverbreitung von Kernwaffen dar (Pfeiler II) und garantiert die friedliche Nutzung der Kernenergie (Pfeiler III). Diese Konferenz ist für die internationale Staatengemeinschaft das mit Abstand wichtigste Verhandlungsgefäss im zivilen nuklearen Bereich.
Welchen Stellenwert hat die Konferenz für die internationale Sicherheit?
Der Stellenwert der Konferenz ist für die internationale Sicherheit sehr bedeutend. Die Abrüstung der bestehenden Atomwaffenarsenale ist derzeit schwierig und ins Stocken geraten. Nach wie vor befinden sich rund 13’000 Nuklearwaffen im Arsenal der offiziellen Atommächte, den P5.
Die Schweiz möchte einen konkreten Beitrag zur internationalen Sicherheit leisten und setzt sich für eine Welt ohne Nuklearwaffen ein.
Wie fliessen die aktuellen Ereignisse in die Konferenz ein? Der Krieg in der Ukraine?
Die Ausgangslage für die Konferenz ist durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine erschwert worden. Der Krieg wird sicherlich eines der Topthemen sein, weil dadurch die seit über 50 Jahren bestehende globale nukleare Sicherheitsarchitektur herausgefordert wird. Die Konferenz hat das Potential auf diese Ereignisse zu reagieren und Massnahmen zu verabschieden. Man rechnet mit anspruchsvollen Verhandlungen.
Zusammen mit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) und mit anderen Staaten setzt sich die Schweiz für die Anerkennung von grundlegenden Sicherheitsstandards ein. Diese Standards sind in jeder Situation – auch in gewalttätigen Konflikten – einzuhalten, um katastrophale Konsequenzen von nuklearen Vorfällen zu verhindern. Dies bekräftigten Bundespräsident Ignazio Cassis und der Generaldirektor der IAEA, Rafael Grossi, an einer gemeinsamen Veranstaltung am Rande der Konferenz.
Wie muss man sich Ihren Beitrag bei der Konferenz vorstellen?
Ralf Straub: Zusammen mit weiteren Delegationsteilnehmern vertreten wir die Schweiz im Pfeiler III (Friedliche Nutzung der Kernenergie). Wir setzen uns für ein Umfeld ein, welches der nuklearen Zusammenarbeit und der Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke förderlich ist. Dazu bringen wir eine Reihe von Elementen in die Verhandlungen ein:
- Die Anwendung der höchsten Standards für die nukleare Sicherheit, der Sicherung und den Safeguardsaktivitäten. Diese sind ausschlaggebende Elemente für die friedliche, zivile Nutzung der Kernenergie.
- Das Erreichen einer soliden Regelung für die Nichtverbreitung von Kernwaffen und für Sicherungsmaßnahmen, einschließlich Ausfuhrkontrollen, wie sie auch im Pfeiler II erwähnt werden.
- Die Unterstützung der IAEA in der wissenschaftlichen und technischen nuklearen Zusammenarbeit. Dadurch werden nationale Entwicklungsziele der Länder und die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) der UN gefördert.
- Die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken mit qualifizierten Arbeitskräfte durch erweiterte Ausbildungs-möglichkeiten, wie zum Beispiel das Marie Sklodowska-Curie Fellowship Programm der IAEA, weiterhin sicherzustellen.
Die Schweiz ist global gesehen ein wichtiger Unterstützer dieser Elemente und arbeitet mit der IAEA in diesen Bereichen eng zusammen.
Sie nehmen das erste Mal an dieser Überprüfungskonferenz teil. Welche Erwartungen haben Sie an die Konferenz?
Während den vergangenen Jahren haben die Vertragsstaaten bestehend aus Nuklearwaffenstaaten und Nichtnuklearwaffenstaaten, die Konferenz sorgfältig vorbereitet. Die Vorbereitungen waren vom gegenseitigen Willen getragen, konstruktive Ergebnisse zu erreichen. Im Jahr 2022, gibt es neben dem aktuellen militärischen Konflikt weitere Themen, wie zum Beispiel die fortschreitende Modernisierung von Nuklearwaffen oder das brachliegende Atomabkommen mit dem Iran, um nur einige zu nennen. Ich hoffe auf konstruktive Verhandlungen, und dass sich alle Vertragsstaaten ihrer Verantwortung für den NPT bewusst sind.
Warum ist die Teilnahme der Schweiz an dieser Konferenz wichtig?
Der NPT ist der globale Grundpfeiler der nuklearen Rüstungskontrolle. Die katastrophalen humanitären Folgen, die sich aus dem Einsatz von Nuklearwaffen ergeben würden, sind der Hauptgrund, weshalb sich die Schweiz mit Nachdruck für deren Abschaffung einsetzt. Die Schweiz fordert daher einen mutigen Dialog, insbesondere zwischen den Atomwaffenstaaten, der auf konkrete Ergebnisse abzielt. Die Förderung von Frieden und Sicherheit ist eine der obersten Prioritäten der Schweiz. Wir setzen uns dafür ein, den Dialog zu erleichtern und Brücken zu bauen, auch auf dieser Konferenz.
Im November 2021 ist die Schweiz dem «Member State Support Programme (MSSP)» innerhalb der Safeguards Hauptabteilung der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) beigetreten. Es wurde damals betont, wie wichtig dies im Hinblick auf die Überprüfungskonferenz sei. Inwiefern?
Der Pfeiler II, die Nichtverbreitung oder Nonproliferation von nuklearem Material ist direkt verknüpft mit den Safeguardsaktivitäten der IAEA und auf nationaler Ebene mit den Ländern. Der Nachweis beziehungsweise die Verifikation zur Nichtverbreitung von nuklearem Material muss überprüfbar und nachvollziehbar sein. Das ist die Hauptaufgabe der Safeguardsaktivitäten. Das Verifikationsregime ist somit das Rückgrat des globalen Systems der Nichtverbreitung von Kernwaffen. Die stetige Stärkung dieses Systems ist eine Notwendigkeit.
Der Atomwaffensperrvertrag, auch Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen oder Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag, ist ein internationaler Vertrag, der das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von Kernwaffen sowie das Recht auf die „friedliche Nutzung“ der Kernenergie zum Gegenstand hat.
Der Atomwaffensperrvertrag wurde von den fünf Atommächten USA, Frankreich, Volksrepublik China, Großbritannien und der Sowjetunion initiiert und mittlerweile (2015) von 191 Vertragsstaaten unterzeichnet beziehungsweise ratifiziert. Nur vier Staaten wurden nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags: Indien, Israel, Pakistan und Südsudan. Nordkorea trat im Januar 2003 aus dem Vertrag aus und dessen endgültiger Status wird seither von der Nichtverbreitungsvertrags-Gemeinschaft offengehalten.
Quelle: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Atomwaffensperrvertrag
Seinen Hauptzweck, das Abwenden des 1960 erwarteten Schreckensszenarios mit über 20 kernwaffenbesitzenden Staaten, erfüllte der NPT klar. Auch die durch den NPT garantierte friedliche Nutzung der Kernenergie mit Anwendungen in Energie, Forschung, Medizin oder Landwirtschaft ist eine Erfolgsgeschichte. Gemischt ist die Bilanz im Bereich der Abrüstung, zumal es dort, nach signifikanten Reduktionen der Anzahl vorhandener nuklearer Sprengköpfe gegen Ende des Kalten Krieges, heute wieder gegenläufige Tendenzen gibt.
Interview und Bild: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
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