Regionalentwicklung im Kontext eines Tiefenlagers
Wie muss eine Regionalentwicklungsorganisation aufgebaut sein, die erfolgreiche Projekte zugunsten der Standortregion eines geologischen Tiefenlagers für radioaktive Abfälle anstossen und umsetzen soll? Dieser Frage widmet sich die neuste Studie im Rahmen der Vertieften Untersuchungen innerhalb des Sachplans geologische Tiefenlager des Bundesamtes für Energie (BFE), die von der Annahme ausgeht, dass dereinst Mittel für regionale Zwecke aus Abgeltungen zur Verfügung stehen. «Die Akteurskonstellationen in den drei verbleibenden Standortregionen sind völlig unterschiedlich. Trotzdem konnten wir dank der intensiven Mitwirkung aller Stakeholder ein generisches Governance-Modell für eine tiefenlagerbezogene Regionalentwicklung entwickeln», bilanziert Roland Scherer. Der Direktor des Instituts für Systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen ist Hauptautor der Studie und hat bereits eine vorangehende Untersuchung im Auftrag des BFE zu regionalwirtschaftlichen Aspekten eines geologischen Tiefenlagers geleitet.
Für die aktuelle Studie analysierten Scherer und sein Team verschiedene Referenzbeispiele, anhand deren sie Erfolgsfaktoren regionaler Governance identifizierten. Einerseits sind dies Faktoren, die wohl unabhängig der thematischen Orientierung am Tiefenlagerprojekt relevant sind: Legitimation durch zuständige Institutionen, gute Vernetzung im öffentlichen wie im privaten Sektor, die Fähigkeit, qualitativ hochstehende Ergebnisse zu erzielen und die Bereitschaft für eine regionale Orientierung. Andererseits ist speziell im Kontext des Tiefenlagers wichtig, dass die Anschlussfähigkeit an bestehende Strukturen innerhalb der Teilräume einer Standortregion garantiert ist und dass angesichts des langen Projekthorizontes die Anpassungs- und Lernfähigkeit der Strukturen gewährleistet ist.
Als nächstes folgte eine detaillierte Stakeholderanalyse im Themenbereich Regionalentwicklung in jeder der drei Standortregionen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost. Darin wurden funktionalräumliche Aspekte, die administrative Gliederung und die im Themenfeld Regionalentwicklung tätigen Organisationen sowie deren Tätigkeitsfelder analysiert. Es zeigte sich, dass die verschiedenen Standortregionen sehr heterogen sind. Dies ist einerseits auf die unterschiedlichen Konstellationen hinsichtlich der Anzahl betroffener Kantone und andererseits auf verschiedene Ausrichtungen der involvierten Organisationen zurückzuführen.
Das Ergebnis der Studie besteht aus einem konzeptionellen Modell für die regionale Governance, das in der Lage ist, den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und den spezifischen Herausforderungen einer tiefenlagerbezogenen Regionalentwicklung zu begegnen. Den Kern bildet einerseits eine politisch getragene Regionalorganisation, die für die Strategie und Mittelvergabe zuständig wäre. Andererseits ist eine professionelle Agentur vorgesehen, die für die Projektentwicklung und -koordination zuständig wäre. Die Projektumsetzung würde im Rahmen von thematischen Plattformen durch bestehende Organisationen erfolgen, während die finanziellen Mittel von einer Stiftung verwaltet und zur Verfügung gestellt würden. Ob und in welcher Art und Weise dieses Modell implementiert wird, wird mit den effektiv betroffenen Akteuren zu definieren sein. Diese werden bekannt sein, nachdem die Nagra voraussichtlich diesen Herbst den Standort für das Tiefenlager angekündigt haben wird.
Clemens Bolli, Fachspezialist Regionale Partizipation, Bundesamt für Energie
Symbolbild: Shutterstock
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