59 Organisationen, 75 Massnahmen: Die Roadmap Elektromobilität startet in die zweite Etappe
Immer mehr Autofahrerinnen und Autofahrer sind elektrisch unterwegs. Und es sollen noch mehr werden. 50 Prozent der Fahrzeuge, die neu zugelassen werden in der Schweiz, sollen 2025 mit Strom fahren, und die Ladeinfrastruktur soll stärker aufgebaut werden. So sieht es die Roadmap Elektromobilität 2025 vor, für die sich über 50 Organisationen, Firmen und Vertreterinnen und Vertreter von Behörden mit konkreten Massnahmen einsetzen. In Biel erfolgte der Startschuss zur neuen Etappe im Beisein von Bundesrätin und Energie- und Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga.
Elektromobilität boomt. Die Ziele der ersten Etappe der Roadmap Elektromobilität (bis 2022) wurden bereits klar übertroffen. 15 Prozent der Neuzulassungen bei den Personenwagen sollen mit Stecker ausgerüstet sein, war das Ziel der Roadmap 2022. In den ersten vier Monaten 2022 waren es bereits 24.6 Prozent. Warum wird die Roadmap weitergeführt? Wo sind trotz Boom die Herausforderungen? Und welche Massnahmen braucht es?
Energeiaplus hat mit Delphine Morlier, der Leiterin Mobilität im Bundesamt für Energie, gesprochen.
Energeiaplus: Jedes zweite neu zugelassene Auto soll 2025 ein Steckerfahrzeug sein. Heute ist es schon jedes vierte. Läuft die Elektrifizierung bei den Personenwagen nicht schon fast von alleine?
Delphine Morlier: Der Markt entwickelt sich sehr dynamisch. Der Wandel in der Automobilbranche ist da. Jedoch sind weiterhin drei Viertel der neu zugelassenen Autos ohne Stecker ausgerüstet. In absoluten Zahlen sind geschätzt 140’000 Steckerfahrzeuge immatrikuliert in der Schweiz. Insgesamt sind rund 4.6 Millionen Personenwagen zugelassen.
Das Ziel der Roadmap: Bis 2025 soll es eine halbe Million E-Fahrzeuge sein. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es die Roadmap Elektromobilität. Damit sollen Hemmnisse abgebaut werden, die die Entwicklung der Elektromobilität bremsen könnten.
Die Roadmap ist also notwendig und wichtig. Welches übergeordnete Ziel verfolgt sie?
Elektromobilität ist einer der wirksamsten Hebel bei der Dekarbonisierung des Verkehrs in der Schweiz. Die Weiterführung der Roadmap wird dieser Bedeutung in der Schweizer Energie- und Klimapolitik gerecht.
Die Neuzulassungen sind ein Ziel der Roadmap, ein weiteres der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Denn: Wer mit Strom fährt, will auch laden können. 20’000 öffentliche Ladestationen bis 2025 ist das Ziel. Anfang 2022 gab es 7150 Ladestationen, die öffentlich zugänglich sind. Da scheint das Ziel ambitionierter als bei den Neuzulassungen. Ist das so?
Das ist richtig. Der grösste Entwicklungsbedarf liegt bei der Infrastruktur. Ich verweise hier auf eine interne Umfrage des Verbandes autoschweiz vom Februar 2022 bei seinen Mitgliedern. Die Umfrage zeigte, dass die Ambition von 50% Steckerfahrzeugen bei den Neuzulassungen plausibel ist. Allerdings muss gleichzeitig der Ausbau der Ladeinfrastruktur beschleunigt werden und die Ladeinfrastruktur muss nutzerfreundlich und netzdienlich sein.
Auch wenn das dritte Ziel nicht messbar ist, ist es meines Erachtens fast ambitionierter als die Verdreifachung der öffentlich zugänglichen Ladestationen. Die Netzdienlichkeit ist ein zentrales Thema der nahen Zukunft. Die Nutzerfreundlichkeit stellt den Menschen und sein Mobilitätsverhalten im Zentrum.
Netzdienlich und nutzerfreundlich: Können Sie das konkretisieren?
Nutzerfreundlich heisst: Wer ein Elektroauto in Betracht zieht, soll laden können. Ob zu Hause oder unterwegs. Das gilt auch für Mieterinnen und Mieter ohne eigenen Parkplatz und auf öffentlichen Plätzen in den Städten. Hier gilt es aber auch, die Nutzung der Ladestationen und Abrechnungssysteme zu vereinfachen und transparenter zu machen.
Elektroautos sind ja nicht nur Teil des Verkehrssystems, sie sind auch auf das Stromnetz angewiesen. Entsprechend sind auch technische Anforderungen zu berücksichtigen. Das ist mit netzdienlich gemeint. Auch das Thema Stromversorgung aus erneuerbarer Energie, bidirektionales Laden (das E-Auto als Konsument wie auch als Speicher) oder intelligente Ladelösungen in Mehrparteiengebäuden sind unter diesem Begriff zu verstehen.
20’000 Ladestationen sind das Ziel bis 2025: Wo setzt die Roadmap da an?
Konkrete Massnahmen aus dem Roadmap-Massnahmenportfolio sind: Ausbau Schnellladestationen entlang der Autobahnen, im urbanen Raum – auf der Strasse wie in Parkhäusern – sowie auf dem Land. Zudem werden auch Tools entwickelt, um die Planung der öffentlich zugänglichen Ladestationen bedarfsgerechter zu gestalten. Dabei wird die Zusammenarbeit unter Energieversorgern von verschiedenen Städten oder Kantonen intensiviert.
Gerade das Laden für Mieterinnen und Mieter, die keinen eigenen Parkplatz haben, ist eine Herausforderung. Was schlägt die Roadmap vor? Oder: Welche Lösungen sind am wirksamsten?
In den letzten Monaten konnte die Roadmap 13 Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Motivationen dazu gewinnen, gemeinsam an einer Grundlage für konkrete Lösungsansätze für das Laden in Mietgebäuden oder Stockwerkeigentümerschaften zu arbeiten. Wenn Empfehlungen des Hauseigentümerverbands, Mieterverbands oder Verbands der Immobilienwirtschaft auf einander abgestimmt sind, können Eigentümer und Vermieter auch gute Lösungen umzusetzen – zum Beispiel bei der Finanzierung der Erstinvestition.
Fast 60 Akteure aus verschiedenen Bereichen (Verbände, Unternehmen, Behörden) haben die Roadmap unterzeichnet, weil sie die Elektromobilität fördern wollen. Wie wichtig ist diese breite Unterstützung?
Elektromobilität ist weit mehr als ein reiner Antriebswechsel. Es stellt Herausforderungen nicht nur beim Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur. Ein anderes Thema sind die Traktionsbatterien, welche wir in den nächsten Jahren nur dank der Zusammenarbeit von Akteuren aus unterschiedlichen Marktsektoren überwinden können: Automobilbranche, Recyclingbranche, Produkteentwickler und Dienstleister für Ladestationen und Speicherlösungen, Forschung, usw. Stichwort: Kreislaufwirtschaft.
Die Massnahmenträger der Roadmap 2025 widerspiegeln diese unterschiedlichen Ansprüche.
Die breite Unterstützung ist auch nach aussen ein klares Signal, dass Elektromobilität allmählich zu einem «Mainstream»-Thema geworden ist und dass viele daran sind, dieses neue Umfeld intelligent zu gestalten.
Die Roadmap 2025 wurde in Biel unterzeichnet. Hat das einen Grund?
Mit der Roadmap 2025 bekommt das Thema «Kreislaufwirtschaft Batterien» mehr Bedeutung. Das Forschungsprogramm CircuBAT unter Leitung der Berner Fachhochschule beteiligt sich an der Roadmap. Deshalb war der Standort des Schweizer Innovationspark Biel/Bienne mit seiner Swiss Smart Factory-Halle der perfekte Ort für die Unterzeichnung.
Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Shutterstock, Item ID: 1520951828
Neuste Kommentare