Netzintegration Elektromobilität: Wie E-Autos mit V2X das Stromnetz entlasten
Immer mehr E-Fahrzeuge sind auf Schweizer Strassen unterwegs. Der stark wachsende Anteil der Elektromobilität führt auch zu einem deutlich höheren Strombedarf. Was heisst das für das Stromnetz? Wie vermeidet man eine Überlastung? Bidirektionales Laden kann hier Abhilfe schaffen. Das zeigen Forschungsprojekte des Bundesamts für Energie. Energeiaplus mit einem Überblick:
Wenn alle elektrischen Fahrzeuge direkt nach Feierabend, also während der abendlichen Lastspitze geladen würden, käme es schnell zu Kapazitätsengpässen, auch in den Netzen. Die Stabilität unserer Elektrizitätsversorgung hängt also weniger vom Gesamtverbrauch als vielmehr von Lastspitzen ab.
Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Fahrzeugen im privaten Gebrauch. Wobei man eher von «Stehzeugen» reden müsste. Denn: Mehr als 95% der Zeit stehen sie parkiert herum. Für den Besitzer, die Besitzerin ist es egal, wann das Fahrzeug während dieser langen Zeit geladen wird. Hauptsache die Batterie ist ausreichend geladen, wenn man losfahren will. Das Zauberwort heisst «Smart Charging»: Das Fahrzeug wird möglichst dann geladen, wenn im Netz viel günstiger, CO2-armer Strom zur Verfügung steht. Noch interessanter wird es, wenn aus der Autobatterie bei Bedarf auch Strom ins Netz eingespeist werden kann. Solche Technologien werden unter dem Begriff V2X (vehicle to X, X=grid, home, etc.) zusammengefasst.
Im Prinzip kann jedes Elektromobil bidirektional genutzt werden – also Strom aus dem Netz beziehen und einspeisen. Allerdings gibt es bis jetzt nur wenige Ladestationen, die diese Technologie unterstützen. Seitens Fahrzeug wird die Funktionalität noch von vielen Herstellern blockiert. Das scheint sich nun aber zu ändern, und so kommen aktuell viele neue Modelle auf den Markt, die bidirektionales Laden unterstützen.
Schon 2030 wird es in der Schweiz voraussichtlich weit über eine Million elektrische Fahrzeuge geben. Theoretisch könnten diese zusammen während eines begrenzten Zeitraums bis zu 10 Gigawatt (GW) elektrische Leistung ins Netz einspeisen – dreimal mehr als alle Schweizer Kernkraftwerke zusammen.
V2X im Praxistest: Das Beispiel Erlenmatt-Ost in Basel
Die Überbauung auf dem ehemaligen Areal der deutschen Bahn ist eine der grössten Solarstrom-Eigenverbrauchsgemeinschaften in der Schweiz. Sie wurde 2019 mit dem Watt d’Or ausgezeichnet. In einem Forschungsprojekt testete die Energiegenossenschaft ADEV dort die Vermietung zweier E-Autos, die gleichzeitig als Speicher für den intern erzeugten Strom dienen. Das BFE hat dieses Forschungsprojekt unterstützt.
Es hat sich gezeigt, dass die V2X-Nutzung zwar den Eigenverbrauch des Areals leicht erhöhen und gleichzeitig die Verbrauchsspitzen deutlich reduzieren konnte. Dabei wird «überschüssiger» Solarstrom tagsüber in der Autobatterie zwischengespeichert und am Abend ins Lokalnetz eingespeist. Mehr Informationen finden sich im Fachartikel zu diesem Projekt.
Wie marktfähig ist die V2X-Technologie – und braucht es neue Regulierungen? In grösseren Demonstrationsprojekten wird das nun untersucht. Eines davon ist V2X Suisse: Mobility Carsharing will bis im September 2022 in Zusammenarbeit mit Honda 50 Fahrzeuge auf die Strasse bringen, die an 40 Standorten bidirektional geladen werden können. Die Flexibilität der Fahrzeuge wird durch Tiko – ein Unternehmen im Bereich Energiedienstleistungen – zusammengefasst und quasi als «virtuelles Kraftwerk» zum Beispiel Swissgrid zur Netzstabilisierung zur Verfügung gestellt. Der Versuch läuft bis Ende 2023. Mobility geht davon aus, dass ein bidirektionales Mobility-Elektroauto bis zu 20 Kilowatt Leistung zurück ins Stromnetz speisen kann, wenn es nicht gefahren wird.
In einem weiteren Projekt, SunnYparc, werden die Synergien von lokaler erneuerbarer Energieerzeugung und Elektromobilität erforscht. Im Technologiepark Y-PARC in Yverdon-les-Bains werden dazu rund 1500 kW Photovoltaik mit bis zu 250 Ladestationen (50 davon bidirektional) in einem Microgrid kombiniert, das auch den Verbrauch mehrerer Gebäude bündelt. Mittels dynamischer Ladetarife und Smart Charging soll das Potenzial von V2X zur Erhöhung des Eigenverbrauchs und Stabilisierung des Schweizer Netzes untersucht werden.
In Forschungsprojekten, die das BFE fördert, werden weitere Aspekte von V2X untersucht, unter anderem die optimale Kombination von Carsharing und V2X, die digitale Einbindung ins Netzmanagement von Fahrzeugen an unterschiedlichen Standorten oder auch Anreize für Autobesitzer, das Fahrzeug netzdienlich zur Verfügung zu stellen (siehe Box unten).
Auch im Mobilitätsworkshop, den das BFE im vergangen Herbst in Luzern organisiert hatte, war die Netzintegration der Elektromobilität ein Hauptthema. Dabei wurden zentrale, zum Teil auch umstrittene Punkte diskutiert:
- Welchen Einfluss hat V2X auf die Lebensdauer der Batterie? Führt dies zu einer vorzeitigen Alterung der Batterien.
- Wie müssen angesichts von V2X Ladetarife und Vergütung der Einspeisung gestaltet werden?
- Wie und wo können die zusätzlichen Flexibilitäten möglichst effizient eingesetzt werden?
Mit den kürzlich gestarteten Demonstrations- und Forschungsprojekten sollen diese offenen Fragen geklärt werden, damit V2X auch kommerziell zum Erfolg werden kann. Es besteht also durchaus die Chance, dass die zunehmende Elektrifizierung der Mobilität die Stromversorgung eher stabilisiert und damit insgesamt entlastet und so der Umfang teurer Netzausbauten im Verteilnetz reduziert werden kann.
Ausschreibung «Future Transport Systems»
Im 2021 lancierte das BFE eine Ausschreibung zum Thema «Future Transport Systems». Von den 33 eingereichten Projekten werden die zehn am besten bewerteten nun mit insgesamt knapp 3 Mio. CHF gefördert. Alle Projekte sind im Herbst 2021 gestartet und haben eine Laufzeit von 3-4 Jahren. Folgende vier Projekte befassen sich direkt mit der Netzintegration der Elektromobilität: EVFlex: Netzdienliche Flexibilitätsaggregation von Elektrofahrzeugen. IncentV2G: Analyse des Effektes von Anreizen für effiziente Netzintegration von Elektrofahrzeugen. Im Rahmen des Projekts soll insbesondere untersucht werden, welche Anreize die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen und das Ladeverhalten beeinflussen und wie sich das insgesamt auf die Netzintegration und Stabilität des Stromsystems auswirkt. V2G4CarSharing: Optimales V2G Verhalten für Carsharing unter der Berücksichtigung individueller Mobilität. Carsharing und Vehicle-to-Grid (V2G) sind vielversprechende Innovationen zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors. Flexibilität der Fahrzeugbuchungen und Optimierung von Lade- und Entladezeiten stellen hier eine zusätzliche Herausforderung dar. Im Rahmen des Projekts werden optimale Strategien zur Integration von V2X und Carsharing evaluiert. V2G Pathways: Entwicklungspfade und Politikunterstützung für Vehicle-to-Grid (V2G) Technologien. Basierend auf «Best Practices» führender Länder werden praktikable Wege und unterstützende Politikmassnahmen für eine effiziente V2X-Implementierung identifiziert und deren Nutzbarkeit für die Schweiz geprüft. In weiteren Projekten werden neue multimodale Verkehrskonzepte im ländlichen Raum sowie mit Hilfe der Digitalisierung untersucht. Zwei Projekte befassen sich mit der Substitution von Arbeits- und Freizeitwegen durch E-Biking und dem Ersatz von Flugreisen durch Nachtzüge. In systematischen Analysen werden der Einfluss von Lieferketten und Transportwegen auf die Umweltbelastung sowie Chancen und Grenzen von nachhaltigen chemischen Treibstoffen untersucht. Sämtliche Informationen zur Ausschreibung und den geförderten Projekten sind auf der Webseite des Forschungsprogrammes Mobilität zu finden.
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Luca Castiglioni, Leiter Forschungsbereich Mobilität, Bundesamt für Energie
V2X: alle paar Monate ein neuer, cooler Therm für alte Schläuche.
Der elegante Schwenk von Netzengpässen zum bidirektionalen Flow der privaten Speicher in E-Fahrzeugen ist etwas zu einfach gedacht.
Jeder chemisch-elektrische Energiespeicher, egal welche Technologie dahinter steckt, hat eine endliche Lebensdauer. Die kritische Grösse sind die anzahl Zyklen (der einfachheit habler rechnet man immer mit dem ‚kostengünstigen‘ 1C-Belastungsfall , was in der Realität nicht vorkommt- besonders wenn es gilt, Spitzenbedarf abzudecken oder Verteilnetze zu stabilisieren).
Diese Kosten haben wir bei jedem Projekt berechnet. Die Ersatzbeschaffungskosten wurden jeweils auf die Menge der gespeicherten Energie während der Nutzungszeit bezogen, immer mit der Voraussetzung, dass die schonendste BMS-Strategie gefahren wird. Die tiefsten Zusatzkosten pro kWh lag bei 2 Rp, die höchste bei 17 Rp Aufschlag für die Speichernutzung.
Dabei ist die Kapitalisierung der Investition nicht enthalten, auch keine Teuerung- nur die reinen Beschaffungskosten des Batterieersatzes auf Basis der Anlage-Abrechnung im Erstellungsmoment,
Wenn diese Kosten dem Besitzer des Fahrzeugs nicht vergütet werden, ist das Modell V2X eher ein Problem als eine Lösung.
Der Besitzer des Fahrzeugs (oder dessen Kapitalgeber) hat ein essentielles Interesse daran, zu bestimmen, wann und wie stark sein „mobiles Werkzeug“ ab-genutzt wird. Warum nicht einfach diese Möglichkeit komplett dem Kunden überlassen?
Alternativ-Vorschlag: Da – per kWh die Ersatzkosten bei stationären Speichern deutlich tiefer sind als im Auto , sollte man die Problemlösung in die Ladestation verlegen: Private und öffentliche Ladestationen müssten dann mit einem lokale Speicher (=Buffer) ausgerüstet sein. Wenn das nicht reicht, kann man dasselbe bei Verbraucher- Neuanlagen fordern, die ein hohes Ratio P/W aufweisen.
Damit bleibt die Einsatzdoktrin des teuersten Einzelteils im E-Auto beim Besitzer und die Welt ist in Ordnung.