OLD Caption: Martin Schmid ist Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Systemanalyse in der Abteilung Oberflächengewässer bei der Eawag. Bild Beat Kienholz, Eawag
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Eine neue Karte zeigt das grosse Heizpotenzial von Schweizer Flüssen und Seen


Schweizer Seen sind auch Energiequellen. Sie enthalten grosse Mengen erneuerbarer thermischer Energie, wovon ein Teil zum Heizen und Kühlen nahe gelegener Infrastrukturen genutzt werden kann. Der Dienst Geoinformation des Bundesamts für Energie hat eine interaktive Karte erstellt, die das thermische Potenzial der Gewässer zeigt.

Beispiele gibt es einige, wo Seewärme bereits genutzt wird: Der Wohlensee bei Bern liefert die Wärme für eine Wohn-Überbauung in Hinterkappelen. Für das Heizen im Winter und Kühlen im Sommer bezieht der Rückversicherer SwissRe für seinen Campus in Zürich Energie aus dem Zürichsee. Auch in Genf setzt man auf Seewärme – mit dem Projekt GeniLac, das ein 30 Kilometer langes Fernwärmenetz umfasst.

Die neue interaktive Karte visualisiert das Potenzial zur Nutzung von See- oder Flusswärme. Die Daten zu dieser interaktiven Karte stammen von der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut der ETH. Martin Schmid ist dort Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Systemanalyse in der Abteilung Oberflächengewässer und hat das Projekt betreut.

Energeiaplus: Klicke ich auf der Karte auf den Genfersee, erfahre ich wie viele Gigawattstunden pro Jahr fürs Heizen oder Kühlen zur Verfügung stehen könnten. Wie muss ich diese Angaben einordnen? Ist der Genfersee ein optimales Gewässer für die Nutzung?

Martin Schmid ist Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Systemanalyse in der Abteilung Oberflächengewässer bei der Eawag. Bild Beat Kienholz, Eawag

Martin Schmid: Ja, der Genfersee ist mit seinem grossen Volumen für Wärmenutzungen sehr gut geeignet. Die Temperaturen im Tiefenwasser sind das ganze Jahr hindurch nahezu konstant, was für die Zuverlässigkeit der Nutzung ideal ist. Zudem gibt es einen grossen Bedarf für Wärme und Kälte in den am See liegenden Städten.

Kann man eigentlich jedes Gewässer nutzen als Energielieferant?

Es sind nicht alle Gewässer gleich gut geeignet als Energielieferanten. Gebirgsbäche führen beispielsweise im Winter oft nur wenig oder gar kein Wasser, ebenso manche Bäche im Mittelland im Sommer. Kleinseen und Weiher haben ein kleines Volumen und können nur sehr wenig Energie liefern, so dass sich eine Nutzung meist nicht lohnt. Und Seen und Fliessgewässer, die heute bereits im Sommer eher zu warm werden, sollten nicht noch zusätzlich zum Kühlen genutzt werden. Sie würden sich zusätzlich aufwärmen, wenn man ihnen Kälte entzieht.

Die Gewässer sind in verschiedenen Rot-Tönen eingefärbt. Was bedeuten diese Farbabstufungen?

Die Farbe ist ein Mass für das Potenzial der Gewässer für Wärmeentnahmen. Je dunkler der Farbton ist, desto mehr Wärme kann aus einem Gewässer entnommen werden.

Wie erklären Sie einer Nicht-Fachperson wie man Seewärme zum Heizen oder Kühlen verwendet.

Bei grösseren Heizanlagen wird meist Wärme aus dem Seewasser über einen Wärmetauscher in einen geschlossenen Kreislauf übertragen. Mit Hilfe von Wärmepumpen wird dann die Wärme aus diesem Kreislauf auf das Heizwasser übertragen. Für Kühlungen ist die Wassertemperatur vieler Gewässer gut geeignet, und es genügt ein einfacher Wärmetauscher.

Wie sieht es mit ökologischen Implikationen aus? Gibt es beispielsweise Auswirkungen auf Fische oder die Flora wenn man die Gewässer als Energielieferanten nutzt?

Hier muss man zwischen Wärmeentnahmen für Heizungen und Wärmeeinleitungen für Kühlungen unterscheiden. Die bestehenden und geplanten Wärmeentnahmen in der Schweiz kühlen die genutzten Gewässer lediglich um einige Hundertstel bis wenige Zehntel Grad ab. Das hat keine negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme.

Bei den Kühlnutzungen sieht es anders aus. In vielen Gewässern stehen die Ökosysteme aufgrund des Klimawandels bereits ohne zusätzliche Nutzung unter Hitzestress. Die möglichen Auswirkungen einer zusätzlichen Wärmeeinleitung müssen deshalb genau geprüft werden. Neben diesen Temperaturveränderungen müssen bei der Planung einer Anlage auch die möglichen Folgen des baulichen Eingriffs in das Gewässer untersucht werden.

Will man Seewärme nutzen, sind hohe Investitionen nötig. Kosten-Nutzen werden abgewogen. Welche Bedeutung hat die Karte vor diesem Hintergrund?

Das Potenzial wurde hier nur aus Sicht der Gewässer angeschaut. Ob eine Nutzung aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist, haben wir nicht untersucht. Es ist sicher so, dass bei vielen Seen und Flüssen nur ein geringer Teil des Potenzials genutzt werden kann, weil zum Beispiel in der Nähe des Gewässers gar nicht so viel Bedarf besteht oder weil keine genügend grosse Anschlussdichte erreicht werden kann, damit sich die Investitionen lohnen.

Übersicht Potenzial der Seen und Flüsse für Wärmeentzug und Wärmeeinleitung

 

Das Potenzial wäre also da für die Nutzung der Seewärme zum Heizen oder Kühlen. Hinzu kommt: Viele Städte und grössere Hotels mit Kühlbedarf liegen an Seen. In Genf, Luzern oder Zürich setzt man vermehrt auf Seewasser. Das Ausbaupotenzial ist aber noch gross.

Rita Kobler ist Fachspezialistin Erneuerbare Energien im BFE.

Rita Kobler ist im Bundesamt für Energie für erneuerbare Energien zuständig. Energeiaplus wollte von ihr wissen, was dieser Energieform Schub verleihen kann.

Rita Kobler: Die kantonalen Energiegesetze und die erneute Erhöhung der CO2-Abgabe ab 1.1.2022 sowie viele politische Commitments zum Klimaschutz werden den Ausbau verstärken.

Jetzt fehlt nur noch die konkrete Umsetzung. Was stellen Sie da fest in der Praxis?

Es gibt verschiedene Herangehensweisen. Bei manchen Seewasser-Verbunden ist ein Schlüsselkunde Initiator. Also eine Firma/Gebäudeeigentümerschaft mit relativ hohem Wärme- und/oder Kältebedarf. Die Initiative kann aber auch von einer Gemeinde oder von einem Energieversorger kommen. Voraussetzung ist eine gewisse Energienachfrage.

Eine solche Analyse hat zum Beispiel der Kanton Thurgau kürzlich für den Bodensee gemacht. Andere Kantone haben solche Potenzialanalysen bereits gemacht: Basel für den Rhein, die Innerschweizer Kantone Luzern, Nidwalden, Uri und Schwyz für den Vierwaldstättersee, Zug zudem für den Zugersee oder Genf für den Genfersee.

Was muss neben der Energienachfrage noch berücksichtigt werden?

Es gibt verschiedene Gesetze, die eingehalten werden müssen sowie Anforderungen aus den Bewilligungsverfahren. Diese beeinflussen, wo das Wasser im See gefasst wird. Ein besonderer Schutz gilt den Uferzonen. Falls Leitungen in das Sediment am Seegrund eingelegt werden, müssen die Seegrundverhältnisse geklärt werden. Einen Überblick über die Gesetze und ökologischen Anforderungen bietet diese EnergieSchweiz Studie.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie

 

3 Kommentare
  1. Jürgen Baumann
    Jürgen Baumann sagte:

    Einige der Gewässer liegen nicht voll umfänglich in der Schweiz, z.B. der Bodensee. der Genfersee und die Seen im Tessin. Welche Absprachen gibt es mit den Nachbarstaaten?

    Antworten

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