OLD Caption: Schwemmholz beim Kraftwerk in Aarberg
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Warum viel Wasser nicht unbedingt mehr Strom bedeutet


Je mehr Wasser, desto mehr Strom: Dass diese Gleichung nicht stimmt, hat sich diesen Sommer gezeigt. Energeiaplus hat bei verschiedenen Kraftwerk-Betreibern nachgefragt, warum sie ihre Anlagen vorübergehend ganz abschalten mussten und was Baumstämme und anderes Schwemmgut damit zu tun hatten.

Stauwehr Engehalde in Bern: Die Greifzange der Rechenreinigungsmaschine taucht ins Wasser, hebt sich langsam wieder gefüllt mit Ästen, Wurzeln, die im Rechen hängen geblieben sind, verschiebt sich auf den Schienen seitwärts und entlädt das Schwemmgut in den Container. Dann geht das ganze Prozedere wieder von vorne los. Das Ganze läuft automatisiert. Auf Grund des Wasserstands vor und hinter dem Rechen erkennt die Maschine, wo Material verkeilt ist.

Schwemmgut haben die Flüsse nach den starken Regenfällen in diesem Sommer viel mitgeführt: Ganze Baumstämme, Wurzeln von mitgerissenen Bäumen, Geschiebe – ein Problem für die Stauanlagen und Wehre. Zum Beispiel in Bern bei der Matteschleuse: Sie besteht aus vielen kleinen Schleusen. Während des Hochwassers Mitte Juli war ein mobiler Kran im Dauereinsatz, um dort das Schwemmholz aus dem Wasser zu fischen. Zusätzlich musste die Notschleuse in der Matte gezogen werden, damit das Treibgut abfliessen konnte.

Zuständig für Matte und Engehalde ist ewb, der Energieversorger der Stadt Bern. Während des Hochwassers seien die Wehranlagen an die Kapazitätsgrenzen gekommen, teilt ewb auf Anfrage mit. Die Turbinen in der Matte und jene im Werk Felsenau liefen nicht mehr, um Schäden an den Anlagen zu verhindern, aber auch weil schlicht zu viel Wasser floss.

 

Sicherheit der Stauanlagen:

Für jede Stauanlage müssen die Betreiber ein Notfallreglement erstellen, damit sie für potenzielle Schadenereignisse gewappnet sind. Darin ist festgelegt, welche Massnahmen ergriffen werden müssen zum Beispiel bei einem ausserordentlichen Anstieg des Wasserpegels. Dazu gehört, ob die betroffene Bevölkerung alarmiert und evakuiert werden muss.

Das Bundesamt für Energie fungiert als Aufsichtsbehörde über die Talsperren. Das oberste Ziel ist, die Sicherheit der Stauanlagen zu gewährleisten und die Bevölkerung vor möglichen Gefahren zu schützen.

Die grossen Wassermassen erreichten zum Beispiel bei den Jurarand-Seen neue Rekordwerte. Die Sicherheit der Stauanlagen war indes nicht in Frage gestellt. Die Stauanlagen konnten die grossen Wassermassen bewältigen. Es kam zu keinem unkontrollierten Abfluss.

 

Für die Stromproduktion ist ein Gefälle nötig. Der Wasserpegel oberhalb des Werks muss höher sein als unterhalb. Nur so kann das Wasser die Turbinen antreiben. Im Kraftwerk Matte in Bern war das Ober- und Unterwasserniveau während des Hochwassers quasi gleich hoch. Viel Wasser lässt Kraftwerke also nicht auf Hochtouren produzieren – im Gegenteil. Ohne Gefälle kein Strom.

Auch die Anlagen des Energie- und Infrastrukturunternehmens BKW mit Sitz in Bern mussten ihren Betrieb teilweise einstellen. Das war zum Beispiel bei Laufwasserkraftwerken entlang der Aare im Berner Seeland der Fall. Niederried, Aarberg, Kallnach, Hagneck und Bözingen – die letzten beiden gehören je zu 50 Prozent der BKW und dem Energie Service Biel/Bienne – wurden Mitte Juli zeitweise abgeschaltet.

Schwemmholz beim Kraftwerk in Aarberg
Bild: BKW

Bei den Kraftwerken Aarberg, Kallnach und Niederried reduzierte sich die Stromerzeugung von 24.5 GWh auf 19.1 GWh gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2020. Das war aber nicht überall so: Einige BKW-Kraftwerke produzierten auch etwas mehr Strom.

Investitionen in Hochwasserschutz

Grössere Schäden hat die BKW an den Kraftwerken nicht festgestellt. Kleinere Schäden wurden am Uferbereich sichtbar, als das Wasser zurückgegangen war – an Geländern, und hie und da sei Beton abgeplatzt.

Die Hochwasserbilder der Aare in Bern oder vom Bielersee erinnerten an die Hochwasser von 1999 und 2005. Seither wurde viel in den Hochwasserschutz investiert – auch bei den Anlagen selber. Man hat bauliche Vorkehrungen getroffen, um bei Hochwasser temporäre Abdämmungen installieren zu können, damit das Wasser nicht ins Kraftwerk eindringen kann. So zum Beispiel beim Wasserkraftwerk in Spiez, das direkt am Thunersee liegt. Weiter wurden zusätzliche Pumpen beschafft, um eingedrungenes Wasser abzupumpen.

Betriebsunterbruch wegen Hochwasser

Auch die Limmat in Zürich führte Hochwasser. Das Elektrizitätswerk Dietikon war zwischen dem 9. und 26. Juli immer wieder ausser Betrieb – kumuliert waren es gut fünf Tage. Ab einer Wassermenge von 370 Kubikmetern pro Sekunde muss das Kraftwerk gemäss Reglement abgestellt werden. Laut den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich EKZ betrug der maximale Abfluss 520 Kubikmeter pro Sekunde. Verglichen mit dem 10-jährigen Mittelwert im Juli war die Energieproduktion im KW Dietikon im Juli 2021 rund 35% tiefer.

Betriebsunterbrüche gab es auch bei den Centralschweizerischen Kraftwerken CKW. Wasserfassungen von Speicherkraftwerken mussten laut CKW kurzzeitig ausser Betrieb genommen werden wegen Versandung. Und die Leistung von Turbinen musste gedrosselt werden, weil das Hochwasser die Unterwasserbecken der Turbinen beeinträchtigte.

In den Flüssen indes sei bei diesem Hochwasser der Geschiebeanteil sogar unterdurchschnittlich gewesen, schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Und weiter: «Die Investitionen der letzten Jahre in den Hochwasserschutz hätten sich bewährt.»

Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie

 

 

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