Warum Opalinuston beim Staudammbau zum Zug kam
Tausende von Akten aus dem Papierarchiv der Sektion Talsperren digitalisiert das Bundesamt für Energie derzeit. In einem Dossier aus den 1950-er Jahren sind wir auf den Begriff «Opalinuston» gestossen. Dieses Tongestein kennen wir heute vor allem aus dem Zusammenhang mit den geplanten geologischen Tiefenlagern für radioaktive Abfälle.
In den 1950er- Jahren wurde Opalinuston für den Bau von Staudämmen verwendet. Energeiaplus erklärt, wo und warum, und fragt bei Experten nach, wieso dieses Gestein für derart unterschiedliche Einsatzgebiete geeignet ist.
Im Gebiet des Solothurner und Aargauer Jura wird Opalinuston seit den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts abgebaut. Daraus wurden Ziegel hergestellt. Gemäss einer Aktennotiz aus dem Archiv des BFE vom 6. Mai 1959 wurde das Gestein aber noch anders eingesetzt: Beim Bau des Wasserkraftwerks Brigels-Tavanasa im Kanton Graubünden.
Anlässlich einer Begehung der Staudamm-Baustelle Brigels wurde in dieser Aktennotiz festgehalten:
«Die kritische Stelle des Dammes stellt die Durchführung des Grundablasses durch den Kern hindurch dar. In einer Zone von ca. 1,5 Metern wird das Kernmaterial von Hand mit fünf Prozent Opalinuston vermischt (2 Säcke auf 1m3) und mit Kleinstampfer («Wacker»-Stampfer mit elektrischem Antrieb) unmittelbar am Betonbauwerk beziehungsweise mit einem 1,5 Plattenvibrator in den übrigen Partien vermischt. Schichtmächtigkeit lose 30 cm. Auf die mit Bitumenanstrich versehene Betonoberfläche wird ein Tonschlämmenanwurf vor dem Anschütten des Kernmaterials aufgebracht.»
Auch der Kern des Staudamms (Bau 1955, Inbetriebnahme 1960) auf der Göscheneralp im Kanton Uri besteht aus Opalinuston. Aus dem Jura hatte man das Gestein auf die Alp gekarrt – rund 230’000 Tonnen Tonpulver war in Silowagen der Schweizerischen Bundesbahnen von Holderbank nach Göschenen und in Silolastwagen von Göschenen auf die Göscheneralp geführt worden.
Doch weshalb dieser Aufwand? Erklärungen finden sich in der Schweizerischen Bauzeitung aus dem Jahr 1957 (Band 57).
«Die Untersuchungen zur Abklärung der zur Verfügung stehenden Kernmaterialien ergaben, dass auf Grund der Kornzusammensetzung an erbohrten Bodenproben in den obersten 10 m des Talbodens der Göscheneralp genügende Materialmengen von günstiger Körnung vorhanden sind. Da es sich vor allem um kohäsionslose Materialien handelt, können sie aber ohne Zuschlagsstoffe zu Dichtungszwecken nicht verwendet werden. Der dichtende Teil des Dammes musste deshalb in Verbindung mit einem ortsfremden Material vorgesehen werden.»
Hilfe erhoffte man sich von der ETH. Das dortige Erdbaulaboratorium der Versuchsanstalt für Wasserbau wurde beauftragt, Versuche mit den Zuschlagsstoffen Opalinuston und Bentonit durchzuführen. Auf Grund der Ergebnisse wurde der Dichtungskern dann mit Opalinuston ausgeführt.
«Feinsand und Kies bis 100 mm Korndurchmesser aus der Alluvion der Göscheneralp;
Zusatz von 16 Gewichtsprozenten Opalinus-Ton, bezogen auf die Komponenten 0 4- 10 mm;
mittleres Sickergefälle im Dichtungskern 3:1, definiert als Höhe zur Breite des Kerns im betreffenden Schnitt.»
Der Einsatz von Opalinuston im Kern eines Staudamms scheint sich zu bewähren. Rocco Panduri, Leiter Aufsicht Talsperren beim Bundesamt für Energie sagt dazu: «Die Dichtungswirkung des Kerns dieses Dammes auf der Göscheneralp ist im schweizweiten Vergleich ausgezeichnet.»
Keine Talsperre sei vollkommen wasserdicht, d.h. man misst einen gewissen Anteil von Sickerwasser, welcher durch die Sperren sickert. «Bei der Göscheneralp ist diese Menge, wenn man die Höhe des Damms von 155 Metern und die Kronenlänge von über 500 Metern berücksichtigt, sehr gering. Der Kern ist also weitestgehend undurchlässig.»
Opalinuston als Baustoff und Wirtgestein
Opalinuston taucht in der jüngsten Zeit im Zusammenhang mit den geplanten Tiefenlager für radioaktive Abfälle auf. Philippe Schaub ist Fachspezialist Entsorgung radioaktive Abfälle im Bundesamt für Energie.
Energeiaplus wollte von ihm wissen, was der Unterschied von Opalinuston als Baustoff und als Wirtgestein für das Tiefenlager ist.
Philippe Schaub: Einfach ausgedrückt würde ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle nicht wie ein Staudamm MIT Opalinuston gebaut, sondern IM Opalinuston. Das heisst, bei einem Tiefenlager kommt der Opalinuston als «natürliche Barriere» zum Einsatz. Das Gestein liegt in ausreichendem Masse ungestört und in einer günstigen Tiefe vor, wo eine bautechnische Erschliessung möglich ist. Daneben spielen natürlich die günstigen Materialeigenschaften von Opalinuston wie eben die hohe Dichtigkeit oder aber auch das gute Rückhaltevermögen von Radionukliden oder die Selbstheilung von Rissen eine wichtige Rolle. Diese Eigenschaften haben grundsätzlich auch andere Tongesteine. Erst die Kombination mit dem geeigneten Vorkommen macht den Opalinuston für die geologische Tiefenlagerung interessant.
Bei den erwähnten Staudämmen hingegen wurde der Opalinuston im Sinne einer «technischen Barriere» eingesetzt, also als künstlich von aussen eingebrachte Abdichtung. Beim Tiefenlager soll für diese «technische» Barriere aber nicht Opalinuston sondern Bentonit verwendet werden.
Sie haben auch die Dichteeigentschaft von Opalinuston erwähnt. Diese Eigenschaft spielt auch bei Staudämmen eine Rolle.
Philippe Schaub: Bei den geologischen Tiefenlagern gibt es wie gesagt eine enge Verknüpfung zwischen den Vorkommen von geeignetem Wirtgestein und der Standortfrage. Dies spielte beim Bau der Staudämme keine Rolle. Aus den Darstellungen geht hervor, dass Opalinuston in der Schweiz selten für Dammprojekte eingesetzt wurde. Hierbei ging es wohl auch um eine wirtschaftliche Überlegung, welches Dichtmaterial beim Bau eines Dammes verfügbar und günstig zu erwerben war. Beim Bau des Göscheneralpdamms war es wohl Opalinuston aus dem Steinbruch Holderbank. Wenn das Material extra aus dem Aargauer Jura in die Urner Alpen geschafft wird, muss es aber sicher eine sehr gute Eignung haben.
Energeiaplus: Im Felslabor Mont Terri im Kanton Jura wird der Opalinuston als Wirtgestein für die geologische Tiefenlagerung von radioaktiven Abfällen detailliert untersucht. Worum geht es da in erster Linie?
Philippe Schaub: Im Felslabor Mont Terri werden Forschungsarbeiten am Opalinuston ausgeführt mit dem Schwerpunkt, seine Eignung als Wirtgestein für geologische Tiefenlager aber auch als Speichergestein z.B. für CO2 näher zu untersuchen. Die Lage des Felslabors im Faltenjura ist aber für den Bau eines geologischen Tiefenlagers nicht geeignet, da ja für ein Tiefenlager nicht nur die günstigen Materialeigenschaften wichtig sind, sondern auch ein langfristig stabiles geologisches Umfeld erwünscht ist. Im Felslabor Mont Terri ist übrigens eine internationale Forschergemeinde am Werk, da die im Opalinuston beobachteten Prozesse und die Erkenntnisse zu technischen Barrierensystemen durchaus auch auf andere Vorkommen von Tongesteinen weltweit übertragen werden können.
Text und Interview: Brigitte Mader, Kommunikation Bundesamt für Energie
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