Nachbarschaftliche Wärme bei der zivilen Bundesverwaltung
Bei einem Neubau im bernischen Ittigen arrangiert sich die zivile Bundesverwaltung effizient mit der Umgebung: Abwärme aus der Nachbarschaft, Kälte aus dem Grundwasser und ein Bürokomplex, der mehr ist als nur Arbeitsplätze.
Die zivile Bundesverwaltung geht mit ihren Arbeitsplätzen zukunftsweisende Wege. Bis 2024 werden im Raum Bern alle Verwaltungseinheiten auf acht Standorte konzentriert. Einer davon ist der Campus Mühle- und Pulverstrasse in Ittigen, der einst 2200 Arbeitsplätze beherbergen wird.
Ein dort eben fertiggestellter Neubau ist mit dem SNBS Goldstandard ausgezeichnet und folgt dem Zero Emission LowEx-Prinzip. Der Campus strebt damit nicht nur höchstmöglichen Energieeffizienz an, sondern will auch emissionsfrei sein. Erreicht wird das vor allem durch die Nutzung von Synergien – konzeptionell und praktisch.
Nachbarschaftliche Wärme
Das energetische Sinnbild dieser Synergie ist die dreifach abgestützte Wärmeversorgung. Ein kleines Stück oberhalb der beiden Neubauten, hinter einem Waldstück, steht eines der grössten Rechenzentren von Swisscom, das viel Abwärme produziert. Über eine unterirdische Fernwärmeleitung wird diese Abwärme zur Energiezentrale des neuen Campus der Bundesverwaltung geleitet. Die Zentrale verteilt die Wärme über einen effizienten Kreislauf im Gebäude: Sie zirkuliert über Deckensegel und Überströmelemente in den Wänden. Ganze 390 Kilowattstunden Wärme wird der Campus so jedes Jahr beziehen. Das entspricht ungefähr 60 Prozent des Gesamtbedarfs.
Als zweites Standbein der Wärmeversorgung nutzt man die Abwärme aus der eigenen gewerblichen Kälte, zum Beispiel von den Kühlern der Mensa. Das macht weitere 35 Prozent aus. Solarthermie-Elemente an den Fassaden vervollständigen das System. Die Sonnenenergie erhitzt direkt das wenige Warmwasser, das im Gebäude benötigt wird. Lediglich die Gastronomie und vereinzelte Duschen haben heisses Wasser. Der Verzicht darauf ist Teil des Grundprinzips, nicht nur möglichst ökologische Energie zu beziehen, sondern den Bedarf auf das Nötige zu reduzieren.
Die kompakte Bauweise mit geringem Flächenbedarf hält den Wärmebedarf klein. Bei der Gebäudehülle setzt das Team auf ein Beton-Holz-Hybridsystem und kombiniert damit die Vorteile zweier Baustoffe. Dabei wurde ausschliesslich zertifiziertes Holz eingesetzt. Diese Massnahmen führen dazu, dass der Campus alleine mit Anergie auskommt.
Kälte aus dem Grundwasser
Das Prinzip der Bedarfsanpassung gilt auch für die Kühlung der Büroräumlichkeiten. Der Sonnenschutz an der Fassade und die Bauweise reduzieren den Kühlbedarf. Zusätzlich benötigte Kälte stammt aus natürlichen Ressourcen der Umgebung. Von einer eigenen Quelle wird Grundwasser bezogen und für Free Cooling genutzt. Zusätzliche Kältemaschinen in der Energiezentrale arbeiten ebenfalls mit dem Quellwasser und vervollständigen das Kühlsystem. Der Strom zum Betrieb der Kältemaschinen und für das restliche Gebäude stammt aus Photovoltaik-Modulen auf den Dachflächen sowie aus reiner Wasserkraft.
Über den Campus hinausgedacht
Die Neubauten sind Teil eines umfassenden Gesamtkonzepts, das über architektonische und energetische Überlegungen hinausgeht. Das Team hat wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten in der Planung den gleichen Stellenwert eingeräumt. Die Elemente der Umgebung wurden aufgenommen und der Standort für Mensch und Natur aufgewertet. Die Anlage ist öffentlich zugänglich, Grünflächen laden zum Verweilen und Waldstücke zum Spazieren ein.
Diese ganzheitliche Betrachtung ist kein Zufall. Projektleiter Lorenz Bettler erklärt: «Nachhaltiges und wirklich langfristiges Bauen geht über ökologische Aspekte hinaus. Die verschiedenen Nachhaltigkeitsbereiche Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt müssen im Einklang stehen und von Anfang an gleichermassen bedacht werden.»
Mit dieser ganzheitlichen Betrachtung folgt das Projekt den Kriterien des SNBS Standard. Der Neubau diente als Pilotprojekt zur Weiterentwicklung des Standards. Die Kriterien und Richtlinien wurden an diesem und weiteren Pilotprojekten versuchsweise angewendet, um zu sehen, ob sie sich bewähren – und das haben sie. Deshalb wird das BBL seine Bauprojekte in Zukunft nach diesem Standard realisieren.
Laura Scheiderer, Kommunikation Energie-Vorbild Bund, Polarstern
Bilder: Damian Poffet
Ganze 390 Kilowattstunden Wärme wird der Campus so jedes Jahr beziehen. Das entspricht ungefähr 60 Prozent des Gesamtbedarfs.
Da sind die Grössenordnungen für einen Jahresverbrauch offensichtlich falsch. Solches bin ich bei Journalisten gewohnt. Aber bei energiaplus?
Sehr geeherter Herr Frick,
Im Sankey-Diagramm zu den Energieflüssen (wir haben es heute Morgen hinzugefügt) hat es bei der Wärme vom Swisscom-Rechenzentrum zwei Zahlen: einmal direkt neben dem Icon vom RZ „176“ und dann im grauen Kasten „Wärmeerzeugung“ steht „390 kW“.
Die 390 kW geben die Leistung der Wärmepumpe bzw. Kältemaschine an. Das RZ liefert 176 Megawattstunden Wärme pro Jahr. Der Satz müsste korrekt also heissen:
„Ganze 176 Megawattstunden Wärme wird der Campus so jedes Jahr beziehen. Das entspricht ungefähr 60 Prozent des Gesamtbedarfs.“
Team Energeiaplus