Wie Millionen von Daten zur Versorgungssicherheit beitragen
Im Dezember 2019 wurde in Mühleberg das erste Schweizer Kernkraftwerk abgestellt, die anderen werden in den nächsten Jahrzehnten folgen. Auch unsere Nachbarländer nehmen in den kommenden Jahren grosse Kraftwerke, vor allem Kohle- und Kernkraftwerke vom Netz. Was bedeutet das für unsere Stromversorgungssicherheit? Können die erneuerbaren Energien die Lücke füllen? Müssen und können wir vermehrt Strom importieren? Und wie sieht es im Winter aus, wenn die Stromnachfrage besonders hoch ist?
Kurzum, die Versorgungssicherheit ist ein grosses Thema. Für die Stromversorgung sind die Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft (Strombranche) zuständig. Der Staat ist einerseits verantwortlich, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und greift andererseits dann ein, wenn die Strombranche die sichere Versorgung mit Elektrizität nicht mehr gewährleisten kann. Doch wann ist dies nötig?
Modell-Berechnungen helfen dabei, die Versorgungssicherheit mittel- und langfristig zu analysieren. So kann überprüft werden, ob und wann Versorgungsengpässe, sogenannte «Scarcity Events» drohen, und ob diese mit dem bestehenden Kraftwerkspark, Eingriffen in den Netzbetrieb und regulatorischen Instrumenten bewältigt werden können.
Im Rahmen der Digitalisierung der Energiewirtschaft gewinnen Künstliche Intelligenz und Data Science zunehmend an Bedeutung. Mit Methoden wie z.B. Algorithmen des «Rule mining» können auch mögliche Ursachen und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Engpass-Situationen aufgedeckt werden.
Fabian Heymann ist Fachspezialist im Digital Innovation Office des Bundesamtes für Energie. Er erklärt im Interview, welche Daten es dazu braucht und was genau man damit berechnen kann.
Energeiaplus: Was für Informationen braucht es, um die Wahrscheinlichkeit und Gründe eines Versorgungsengpasses zu berechnen?
Fabian Heymann: Grundsätzlich werden möglichst detaillierte Informationen benötigt, an erster Stelle zur Stromerzeugung, zum Stromverbrauch und zu Transportkapazitäten. Typischerweise werden Zeitreihen in stündlicher Auflösung genutzt, also stundengenaue Informationen über den Zustand des Stromsystems.
Die Analyse der Transportkapazität ist wichtig, um zu wissen, wieviel Strom Nachbarstaaten bereit stellen können in Engpasssituationen. Noch genauere Analysen sind möglich, wenn man weitere Daten beispielsweise zum Wetter oder zum Klima beizieht.
Und wie wird das dann berechnet?
Der Rechner muss eine Riesenmenge an Daten verarbeiten. Die verschiedensten Szenarien werden dabei durchgerechnet. Solche Simulationen können Tage dauern, insbesondere wenn noch das Verhalten der Stromsysteme von Nachbarstaaten einbezogen wird.
Es ist eine höchst komplexe Sache. Die Aussagekraft dieser Berechnungen erhöht sich, wenn vordefinierte Unsicherheiten einfliessen. Denn: Je nach Wetter verändert sich die Nachfrage nach Strom oder auch die Produktion, aber auch der Ausfall oder Erneuerungsarbeiten an einem Kraftwerk oder am Stromnetz haben einen Einfluss auf die Versorgungssicherheit.
Mit der Simulation zeigt sich dann, in wie vielen Stunden pro Jahr eine Unterversorgung wahrscheinlich ist. Die Gründe, warum es zu dieser Unterversorgung kommt, zeigt die Simulation nicht. Die gilt es danach zu eruieren.
Das Bundesamt für Energie hat 2019 eine Adequacy-Studie gemacht, mit der man die mittel- und langfristige Stromversorgungssicherheit beurteilen kann. Welchen Mehrwert bieten die neuen Data Science Methoden gegenüber den bestehenden Studien?
Die heutigen Adequacy Studien erklären uns bisher nicht, warum eine bestimmte Strommenge zu einer gewissen Stunde fehlt. Ist das Stromnetz nicht ausreichend ausgebaut, die Nachfrage ausserordentlich hoch oder fehlen einfach Kraftwerkskapazitäten? Diese Fragen bleiben aktuell alle unbeantwortet.
Data Science Methoden setzen genau hier an. Sie nutzen einen datenbasierten Ansatz, um aus den Simulationsergebnissen Muster heraus zu destillieren. Man sollte dabei im Hinterkopf haben, dass solche, aus Modellrechnungen resultierende Datensätze schnell über sechs Millionen verschiedene Beobachtungen beinhalten. Herkömmliche Berechnungsmethoden kommen da an ihre Grenzen.
Das Schweizer Stromsystem ist eng vernetzt mit dem Stromsystem anderer Länder. Hilft die Data Science Methode die Abhängigkeiten zwischen den Ländern besser zu verstehen? Fliessen da nur technisch-physikalische oder auch politische Entscheidungen der einzelnen Länder ein?
Die europäischen Stromsysteme sind heutzutage in der Tat sehr eng vernetzt. Das führt dazu, dass Stromerzeugungs- und Nachfragesituationen im Ausland auch das heimische Stromsystem beeinflussen. Politische Entscheidungen, wie beispielsweise ein Ausstieg aus der Kernenergie, werden in den simulierten Szenarien berücksichtigt.
Wie sinnvoll sind solche Berechnungen, wenn sie dann nur bestätigen, was alle schon vermutet haben?
Vermutungen zur potenziellen Unterversorgung oder dem Gegenteil, der Robustheit des Stromsystems, können schnell getroffen werden. Allerdings: Wie gross ist die Unterversorgung, wann droht am ehesten eine Lücke, das kann man mit solchen Modellberechnungen herausfinden.
Auch wenn solche Modelberechnungen immer auf Annahmen beruhen, und, wie jedes Modell, nur ein Abbild der Wirklichkeit sein können, sind es doch die detailliertesten und überprüfbarsten Entscheidungsgrundlagen die wir nutzen können. Gerade wenn es um viel (Steuer)-Geld geht, sollte auf die bestmöglichen Instrumente gesetzt werden, die zur Verfügung stehen. Ein Arzt verlässt sich ja auch nicht auf sein Bauchgefühl, sondern veranlasst je nach Einschätzung ein MRT.
So ist es auch die Aufgabe der zuständigen Behörden, genauestens zu prüfen, wieviel zusätzliche Kraftwerke, Stromleitungen oder digitale Innovationen (z.B. zur Steuerung der Nachfrage nach Strom) wirklich nötig sind, um den hohen Versorgungsicherheitsstandard der Schweiz zu erhalten, und ob Subventionen überhaupt notwendig sind.
Digitalisierung und Data Science sind neue und taugliche Instrumente, um Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Wir werden im Digital Innovation Office des BFE schauen, wie wir Data Science im Sinne eines «MRT» für die Energiewirtschaft nutzen können.
Das Interview führte Brigitte Mader, Kommunikation Bundesamt für Energie
Tut mir leid – ich muss schon wieder polemisieren: Ich brauche keine komplizierten Algorithmen, garbage-in-garbage-out Modelle, extensives datamining, um festzustellen, dass wir im Winter bis zu 4 GW netto, sofort verfügbarer Strom imnportieren.
Also bitte jetzt mal seriös diese Problem angehen: Woher holen wir den, wenn das Ausland dicht macht, keine Kohle mehr aus Deutschland? Und trotz sparen, weniger Strom brauchen wir sicher nicht, mit bald 10 Millione Einwohner, e-Autos, e-Wärmepumpen?
Swissgrid und alle Kraftwerksfachleute und ich können Herrn Plüss bestätigen.
Stromverbrauch und Produktion müssen in jeder Sekunde gleich Stark sein, oder es werden Verbraucher abgeschaltet. Swissgrid und alle Kraftwerksfachleuten erklären es allen detailliert.
Lutz Korthals beschreibt es wie es ist:
Wieder Falschmeldungen. Selbst wenn Wind- und Solarstromanlagen verdoppelt werden, scheint die Sonne und weht der Wind nicht länger als jetzt, daher geht bei Dunkelflaute nichts mehr ohne Kohle-, Kern-, Gaskraftwerke oder Speicher (die es nicht gibt und die nicht in der nötigen Größenordnung möglich und geplant sind).
Modelle sind hilfreich zur Simulation einer Vielzahl von Situationen, die eintreten könnten. Doch sie verleiten auch zu einem falschen Sicherheitsgefühl, weil genau die Situation, die man nicht kannte, eintreten wird. Deshalb ist sie auch nicht im Modell enthalten. Murphy lässt grüssen. Jeder Unternehmer weiss, dass sich ein robustes Geschäftsmodell auf der Rückseite eines Briefumschlags erklären lassen muss. Das trifft auch auf Versorgungssysteme zu. Sie müssen in erster Linie robust sein. Und das ist die zukünftige hochkomplexe Stromversorgung nicht. Da helfen auch Millionen von Daten nicht weiter.
Sichere Stromversorgung bedeutet Stromverbrauch und Produktion müssen in jeder Sekunde genau gleich Stark (GW) sein, oder es werden Verbraucher abgeschaltet. Swissgrid und alle Kraftwerksfachleute erklären es allen ganz genau.
Welchen Quatsch wird uns da wieder serviert. Erstaunlich, über 100 Jahre konnte die Stromversorgung in der Schweiz mit höchster Qualität sichergestellt werden, zuerst lokal und ab etwa den 1920-er Jahren landesweit vernetzt. Jetzt baut man, politisch verordnet, ein Strom- Produktions System auf, welches diese Versorgungssicherheit hochgradig gefährdet. Hinter dieser Verordnung stehen massgeblich Leute und Organisationen, welche von exakt diesem Thema – Versorgungssicherheit gewährleisten – sachlich rein gar nichts verstehen. Und jetzt will man uns noch weismachen, dass mit Hilfe von komplexen Berechnungs- Simulationsmodellen und noch komplexeren Steuerungen, die grundlegenden Fehler dieser Energiepolitik ausgebügelt werden können. Ideologie vor Sachverstand ist noch immer die Devise in der laufenden Energiepolitik.
Die Belehrung, dass mit Modellsimulationen und Millionen von Daten, die Versorgungssicherheit- Wende eingeleitet werden kann. Einmal mehr, Glaubensbekenntnisse vor Sachverstand. Das grosse Thema im Zusammenhang mit fluktuierender, wetterabhängiger, tageszeitabhängiger, saisonabhängiger Einspeisung, wird einmal mehr vom BfE gar nicht angegangen: Speicherproblematik, besonders saisonale Speicherung!
Es war schon immer so im Maschinen- und Anlagebau, ausschliesslich die einfachst möglichen Lösungen bewähren sich langfristig! Das wird auch in Zukunft Gültigkeit haben. Bezüglich komplexe elektronische, System übergeordnete Steuerungs- und Modelliersysteme lassen bezüglich Zuverlässigkeit auch die netten globalen Hackertrüppchen grüssen (wie viele Ausfälle hatte Swisscom in den letzten 12 Monaten).
„There are more things in heaven and earth – Horatio – then you ever had thoughts in your philosophie“ (Sakespeare) – sollte zum Motto der Modelliergläubigen werden.