,

Erneuerbar nach Australien zum Zweiten


Vor ziemlich genau zehn Jahren, im Juli 2007, erreichte ich auf einem kleinen indonesischen Fischerboot die Stadt Darwin im Norden Australiens. Es war die letzte Meeresüberfahrt auf einer langen Reise von Basel nach Westaustralien. Während 16 Monaten legte ich über 25‘000 Kilometer mit dem Velo zurück, um dort meine ehemalige Gastfamilie zu besuchen (www.levelorouge.ch).

Die Motivation für eine Veloreise nach Australien war vielschichtig. Neben dem Abenteuer, der körper­lichen Herausforderung und der Möglichkeit, Land und Leute unterwegs kennenzu­lernen, war mir als Energieingenieur auch der explizite Verzicht auf fossile Flugreisen wichtig. Als ich mich dann Monate später im Hafen von Fremantle wieder von Australien verabschiedete und ein Frachtschiff Richtung Genua bestieg, war ich mir deshalb nicht sicher, ob ich irgendwann wieder nach Austra­lien zurückkehren würde. Als begeisterter Segler konnte ich mir zwar vorstellen, einmal dahin zu segeln. Aber ob sich jemals eine Gelegenheit dazu ergeben würde?

Wenig später erfuhr ich von der Clipper-Round-the-World-Regatta. Das ist eine Segelregatta rund um die Welt, die alle zwei Jahre stattfindet. Die ersten drei Etappen führen von England über Süd­amerika und Südafrika nach Westaustralien. Die Idee tönte verlockend – und sie liess mich nie mehr los. Dreimal verfolgte ich die Regatta online. Als sich nun die Gelegenheit ergab mitzusegeln, konnte ich nicht widerstehen. So werde ich ab dem 20. August selber auf einem der zwölf Clipper-Boote Hand anlegen, um mit der Kraft des Windes Australien zu erreichen. Mit dem Team „Visit Seattle“ werde ich noch einmal mit erneuerbarer Energie nach Australien reisen. Mit Zwischenstopps in Uruguay und Südafrika werden wir nach drei Monaten Westaustralien erreichen. Neben dem Abenteuer, der sport­lichen Herausforderung und der Möglichkeit, zusammen mit einem internationalen Team den histo­rischen Seeweg nach Australien zu befahren, ist mir auch diesmal das energiepoli­tische Statement wichtig.

Allerdings gab mir die kommende Reise ebenfalls Anlass, mir Gedanken zu machen, wie sich die Welt seit meiner Veloreise vor zehn Jahren klima- und energiepolitisch verändert hat: Schon damals wurde viel über den Klimawandel gesprochen und dass man handeln müsste. Der ehemalige US-Vize­präsident Al Gore reiste um die Welt, um die Menschen über den Klimawandel zu informieren. Er zeigte eindrückliche Aufzeich­nungen von Daten zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Heute verkehren noch mehr Autos auf unseren Strassen, es soll eine zweite Gotthardröhre gebaut werden und meine Freunde fliegen noch öfter und weiter in die Ferien als je zuvor. Aber es geht uns weiterhin gut und Roger Federer gewinnt immer noch im Tennis. Etliche Präsidenten haben gewech­selt, die Medien schreiben über andere Kriege, und Kyoto heisst jetzt Paris. Ein Jahrzehnt später hat so manches einen neuen Anstrich bekommen, aber spürbar geändert hat sich nichts. Wir können weiterhin uneingeschränkt konsumieren. Ist die Klimafrage am Ende gar nur ein Gedankenkonstrukt, das gar nicht so ernst zu nehmen ist?

Doch nach einem Blick auf Zahlen und Statistiken merke ich schnell, dass der Eindruck täuscht. Die Klimafrage hat keineswegs an Dringlichkeit verloren, im Gegenteil. Gemäss Daten der NOAA ist die CO2-Kurve seit der Präsentation durch Al Gore zügig weiter­geklettert. Die CO2-Konzentration der unbe­lasteten Atmosphäre in Hawaii hat sich von 385ppm um knapp 7 Prozent auf 410ppm erhöht, und die globale Durchschnittstemperatur ist in den letzten zehn Jahren trotz Kyoto-Protokoll und anderen Lippen­bekenntnissen um rund 0,3°C gestiegen. Die Frage, ob sich wenigstens eine positive Trendwende abzeichnen könnte, wage ich gar nicht mehr so richtig zu stellen. Seit meiner letzten Reise sind fast eine Milliarde Menschen auf der Erde dazugekommen, die zusätzlichen Wohnraum brauchen, und für die zusätzliche Nahrung produziert werden muss. Und wie viel mehr Energie und andere Ressourcen brauchen wir, wenn diese zusätzliche Milliarde erwachsen wird und alle am selben Wohlstand teilhaben wollen wie wir?

Immerhin, es gibt ebenfalls gute Entwicklungen. Die Nutzung der Solarenergie ist nicht mehr nur einfach eine grüne Idee, sie ist zu einem Massengeschäft geworden. Und im Strassenverkehr sind neue attraktive Lösungen sichtbar, die ohne fossile Treibstoffe auskommen. Technisch haben wir heute ganz andere Möglichkeiten, um uns von der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu befreien, als noch vor zehn Jahren. Trotzdem glaube ich, dass es weiterhin wichtig ist, dass wir unsere Konsummuster hinterfragen und bereit sind, unseren Alltag umzustellen. Vielleicht brauchen wir nicht nur neue Technologien, vielleicht brauchen wir einfach wieder mehr Zeit. Zeit für den Weg, nicht nur für das Ziel. Zeit für Reflexion. Zeit, um Energie für uns statt unsere Dieselfahrzeuge zu tanken…

Segeln_Benno

Auch weil ich mir diese Zeit nehmen möchte, segle ich nach Australien. Und wenn dies Anderen als Denkanstoss dient, die eigenen Konsum- und Verhaltensmuster zu hinterfragen, freue ich mich.

Damit verlasse ich das BFE und bedanke mich herzlich bei allen BFE-Mitarbeitenden für die gute Zusammenarbeit. Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg bei der Gestaltung einer nachhaltigen und erneuerbaren Energiezukunft!

Benno Fauchiger, Stv. Leiter der Sektion erneuerbare Energien

PS: Wie schon bei meiner Veloreise nach Australien sammle ich anlässlich dieser Reise Spenden für einen guten Zweck. Diesmal für Unicef, für die Kinder dieser Welt (www.frauchiger.be/unicef).

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .