In der aktuellen Energiediskussion geht häufig vergessen, dass der Strom gerade mal 25 Prozent des Schweizer Energiekonsums ausmacht. Der viel grössere Teil unseres Primärenergieverbrauchs, nämlich beinahe die Hälfte, verbrauchen wir für unsere Wärmeversorgung. Und da diese zu grossen Teilen fossil geschieht, ist die Wärmeversorgung für die Erreichung der Klimaziele von besonderer Bedeutung. Dies hat auch das deutsch-französische Büro für die Energiewende erkannt, das kürzlich eine Konferenz zur erneuerbaren Wärme für die Energiewende durchgeführt hat.
Es zeigte sich, dass die Bedeutung der erneuerbaren Wärme für die Erreichung der Klimaziele zunehmend ins Bewusstsein der Akteure im Energiebereich rückt. Wie vielfältig und komplex das Thema erneuerbare Wärmeversorgung jedoch ist, zeigte sich nicht zuletzt auch durch die Vielfalt der Beiträge. Die Heterogenität der Eignerstrukturen, Betreibermodelle, Technologien, Verteilstrukturen, aber auch die starke Abhängigkeit von den internationalen Brennstoffpreisen sowie die Entwicklungen in der Gebäudeeffizienz schaffen Unsicherheiten in der zukünftigen Ausrichtung des Wärmemarktes und behindern letztlich die Entwicklung der erneuerbaren Wärme. So erstaunt es nicht, dass weder Deutschland noch Frankreich umfassende Strategien haben, wie die Wärmeversorgung langfristig auf 100 Prozent erneuerbare Energie umgestellt werden soll.
Zentral oder dezentral?
Eine erste Frage stellt sich, wie weit Wärme in Zukunft dezentral oder zentral aufbereitet und zur Verfügung gestellt wird. Die Schweiz wie auch Deutschland und Frankreich verfügen über eine stark dezentrale Wärmeversorgung. Jedes Gebäude schaut für sich, hat seinen eigenen Brenner im Keller, oder seine eigene Wärmepumpe, mit oder ohne Erdsonde. Gerade mal 5 Prozent der Wärme wird in der Schweiz über Wärmenetze verteilt. In Frankreich und Deutschland ist der Anteil an Wärmenetzen nur geringfügig höher. Die Länder in Nord- und Osteuropa sind da bedeutend weiter. In Dänemark beispielsweise wird beinahe zwei Drittel der Wärme über Wärmenetze verteilt, die grösstenteils über erneuerbare Energien oder Abwärme versorgt werden. Dabei ist klar: Um Abwärme aus Industrieprozessen oder Biomassekraftwerken effizient nutzen zu können, braucht es nicht nur lokale Wärmebezüger, sondern auch Netze, die die Wärme verteilen.
Aber lohnen sich Investitionen in Wärmenetze überhaupt, wenn die Häuser immer effizienter werden und kaum mehr Energie benötigen? Und wer soll in Wärmenetze investieren? Braucht es eine Anschlusspflicht für Wärmenetze?
Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass sich trotz zunehmender Gebäudeeffizienz der Aufbau von Wärmenetzen langfristig durchaus lohnen kann, auch wenn nicht sämtliche Gebäude eines Versorgungsgebiets von Beginn an angeschlossen werden. Die zunehmende Gebäudeeffizienz bestehender Anschlussnehmer konnte ohne Anschlusspflicht durch eine kontinuierliche Zunahme der Anzahl Anschlussnehmer kompensiert werden.
Welche Technologie?
Ob zentral oder dezentral stellt sich dann noch die Frage der Technologie. Wie gross ist das Potenzial aus der Biomasse? Welchen Beitrag soll in Zukunft Solarthermie leisten? Kann die Solarwärme für den Winter zwischengespeichert werden? Sind Solarhäuser die Antwort? Braucht es kommunale Wärmespeicher, die in Wärmenetze eingebunden werden? Welche Rolle spielt die Geothermie für die Energie- und Wärmewende?
Heute dominieren bei der erneuerbaren Wärme die Biomasse und die Fernwärme durch Kehrichtverbrennungsanlagen. Weil deren Potenzial aber beschränkt ist, kann der Ausbau der erneuerbaren Wärme nicht auf diesen Technologien basieren. Die Solarthermie hat in den letzten Jahren kaum mehr Fortschritte gemacht, und auch der Wärmepumpenmarkt ist seit einigen Jahren am Stagnieren. Die Schwierigkeiten liegen insbesondere darin, dass wegen den tiefen und fluktuierenden Ölpreisen die Wirtschaftlichkeit nicht garantiert werden kann, und dass die Wärme fast immer eigenverbraucht werden muss. Allfällige Überschüsse können nicht in ein Netz eingespeist werden, wie dies beim Strom der Fall ist.
Fazit
Eine Stärkung des Bereichs erneuerbare Wärme, sowie die Entwicklung einer umfassenden Strategie für die Entkarbonisierung der Wärmeversorgung sind nötig. Dabei werden Wärmenetze in unterschiedlicher Ausprägung eine entscheidende Rolle spielen. Für die Wärmewende und die Entwicklung einer netzgebundenen Wärmeversorgung haben die Gemeinden eine Schlüsselrolle, in der Raumplanung aber auch als Versorger, als Koordinator, als Vorbild (kommunale Gebäude), als Berater und als Initiator von Wärmenetzen.
Wie lassen sich Anreize für den Aufbau lokaler oder regionaler Wärmenetze auf Basis erneuerbarer Energien schaffen? Braucht es möglicherweise Investitionsbeiträge, um die nicht-amortisierbaren Mehrkosten von grossen erneuerbaren Wärmeinfrastrukturen zu decken, analog zu den Investitionsbeiträgen für die Wasserkraft? Könnte ein Wärmefonds analog zum „Fonds Chaleur“ in Frankreich ein solches Instrument sein? Oder braucht es ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz wie in Deutschland?
Die grösste Schwierigkeit beim Aufbau von Wärmenetzen ist letztlich weder technischer noch wirtschaftlicher Natur, wie ein Podiumsteilnehmer festhielt. Was es in erster Linie brauche, sei das Verständnis, dass die Wärmeversorgung genauso wie die Wasser- und Stromversorgung eine gemeinschaftliche Aufgabe ist.
Benno Fauchiger, Fachspezialist Erneuerbare Energien, BFE
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