Talsperren, oder im Volksmund Staudämme, müssen einem Erdbeben standhalten können. Die Führung des Erdbebennachweises gehört deshalb weltweit zur gängigen Praxis. Allerdings nur, wenn es um Neubauten geht, jedoch nicht bei bestehenden Anlagen. Nicht so in der Schweiz. Das Bundesamt für Energie (BFE) hat als Aufsichtsbehörde des Bundes für die Sicherheit der Stauanlagen bei den Betreiberinnen aller grossen Anlagen bis Ende März 2013 einen Erdbebensicherheitsnachweis eingefordert. Anfang April 2013 informierte das BFE über den Zwischenstand dieser Nachweiskampagne. Waren damals noch 148 Nachweise in Prüfung, sind die Arbeiten nun weit fortgeschritten und können in diesem Herbst abgeschlossen werden.
Der Erdbebennachweis muss aufzeigen, dass infolge eines Extrem-Erdbebens kein unkontrollierter Wasserausfluss auftreten kann. Für die grössten Anlagen sind dies Erdbeben, die einmal in 10’000 Jahren auftreten könnten. Bei der Nachweisführung muss sowohl das Absperrbauwerk selbst wie auch die sicherheitsrelevanten Nebenanlagen (z.B. Ablassorgane) und der Stauraum (insbesondere die Uferbereiche) untersucht werden. Kann der Nachweis nicht erbracht werden, dann muss die Betreiberin bauliche oder betriebliche Massnahmen treffen und das erforderliche Sicherheitsniveau wieder herstellen.
Aktueller Stand der Arbeiten
Der heutige Stand dieser weltweit einmaligen Nachweiskampagne, die 208 Anlagen in der Schweiz betrifft, ist folgender:
- Alle Nachweise wurden durch die Betreiberinnen eingereicht.
- Alle Nachweise wurden durch die Fachspezialisten des BFE geprüft.
- Bei den 6 Anlagen Les Toules (VS), Bortelsee (VS), Illsee (VS), Oberems (VS), Melchsee (OW) und Chancy-Pougny (GE) wurden Defizite hinsichtlich der konstruktiven Sicherheit festgestellt und bauliche Massnahmen zu deren Behebung angeordnet und bereits umgesetzt. Sie beinhalteten die Verstärkung der Widerlagerbereiche, des Dammfusses mittels Spannankern und der Gewölbedicke.
- Das BFE hat von mehreren Betreiberinnen eine Vervollständigung der Nachweise eingefordert. Dies betrifft vorwiegend die Nebenanlagen und die Stauräume, nicht die Absperrbauwerke selbst.
- Die Vervollständigung der Unterlagen durch die Betreiberinnen und deren Prüfung durch das BFE dauern noch an. Per 24. März 2017 sind 151 Nachweisdossiers definitiv abgeschlossen, die restlichen werden voraussichtlich bis Herbst 2017 abgeschlossen sein.
- Vertiefte Abklärungen sind noch im Gange bei den Stauanlagen Trübtensee (BE), Plans-Mayens (VS) und Illgraben (VS). Bei diesen Anlagen könnten ebenfalls baulichen Massnahmen notwendig werden.
Insgesamt sehr gute Erdbebensicherheit
Das insgesamt sehr gute Verhalten der Stauanlagen unter Erdbebeneinwirkung ist erfreulich, aber nicht wirklich überraschend: Im Gegensatz zu Hochbauten, wo die Abtragung von vertikalen Lasten im Vordergrund steht, sind Talsperren darauf konzipiert und bemessen, horizontale Wasserlasten zurückzuhalten. Somit besitzen sie eine inhärente Sicherheit und Reserve gegenüber erhöhten Horizontallasten, wie sie aus einer Erdbebenanregung resultieren.
Flussstauhaltungen (Wehre)
Per Inkraftsetzung der neuen Stauanlagengesetzgebung am 1. Januar 2013 hat das BFE auch die Aufsicht über die Flussstauhaltungen (Wehre) an der Aare und am Hochrhein übernommen. Die Betreiberinnen dieser Anlagen müssen nun vertiefte Sicherheitsüberprüfungen gemäss den Vorgaben des BFE durchführen. Dazu gehört auch der Nachweis der Erdbebensicherheit. Die entsprechenden Arbeiten sind noch im Gange. Sie erfolgen gestaffelt bis 2020 für die Anlagen an der Aare und bis 2024 für diejenigen am Hochrhein. Bei den letzteren arbeitet das BFE mit den zuständigen deutschen Behörden zusammen.
Bei den Anlagen Augst-Wyhlen, Albbruck-Dogern und Eglisau (alle Hochrhein) haben die im Rahmen von Neukonzessionierungen erstellten Sicherheitsüberprüfungen zu baulichen Massnahmen geführt. Diese Massnahmen beinhalteten im Wesentlichen eine Verstärkung durch vorgespannte Anker zur Erhöhung der Stand- und Gleitsicherheit der Wehrstruktur.
Georges Darbre, Sektionsleiter Talsperren BFE
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