François Hollande, Angela Merkel, Matteo Renzi oder Top-Shots aus der Privatwirtschaft wie CS-Chef Tidjane Thiam oder Peter Voser, Verwaltungsratspräsident der ABB. Sie alle standen auf der Gästeliste der VVIP, der „very very important people für die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am 1. Juni 2016. Als erstes bedankt sich Alt-Bundesrat und früherer Verkehrsminister Adolf Ogi indes persönlich bei den zahlreichen Gewinnerinnen und Gewinnern eines Platzes im Eröffnungszug und mischt sich unter die Gäste. In seiner Rede – engagiert wie damals seine Neujahrsansprache im Schneegestöber vor dem Lötschbergtunnel – ruft er in den Saal: „Bravo les Suisses“.
Um 12h15 rauschen „les Suisses“ in den Tunnel rein, mit 200 km/h legt der Eröffnungszug von Arth Goldau nach Castione-Arbedo die 57 km lange Tunnel-Strecke zurück. Vorher haben die 500 Personen aus dem Volk die ,VVIPs“, die very, very important people (sic!), Rynächt links liegen gelassen, um vor dem Tunnel kurz zu halten, damit beide Züge, der im Süden und der im Norden, gleichzeitig in den ins Loch fahren – und 20 Minuten später wieder gleichzeitig herausfahren. Typisch Schweiz. Niemand kommt zu kurz, alles bestens organisiert und orchestriert. Wüssten die Passagiere nicht, dass das der neue Gotthard-Basistunnel ist, es könnte auch der Lötschberg oder die Neubaustrecke Rothrist Bern sein. Denn wer zum Fenster hinaus blickt, sieht jeweils das Gleiche: sein eigenes Spiegelbild.
Alle Generationen und Sprachregionen sind in diesem Zug vertreten: Der jüngste Fahrgast ist erst wenige Wochen alt. Das Baby wird dereinst vielleicht nicht einmal mehr wissen, wie ein Auto zu steuern ist. Der älteste Passagier ist 90 Jahre alt, in eine Zeit geboren, als die ersten Autobahnen in Europa gebaut wurden. Schulklassen aus der Deutsch- und Westschweiz sind ebenfalls mit von der Partie. Sie haben so die Gelegenheit, auch die „Väter der Neat“ hautnah zu erleben: Neben Adolf Ogi ist dies auch Alt-Bundesrat und ehemaliger Verkehrsminister Moritz Leuenberger.
Am Rednerpult erinnert Ogi das geladene Volk daran, wie schwierig das Projekt war, wie viel Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft und politisches Geschick im In- und Ausland nötig waren, damit es zum Fliegen kam. Und was es alles brauchte, damit das Vorhaben ohne Absturz, schwere Turbulenzen und Verspätung zu den angekündigten Kosten von 12.2 Milliarden Franken realisiert werden konnte. Der Durchstich am 15. Oktober 2010 mit einer Abweichung von wenigen Zentimetern, horizontal war es 1 cm vertikal waren es 8, steht für die Präzision des Projekts.
Ein solch umsichtiges Projektmanagement ist nicht selbstverständlich, wie grosse Bauprojekte im Ausland zeigen. Man könnte die Sache mit den very, very important people auch umfassender sehen: Diese – das Volk – sitzen auch in den ersten beiden Eröffnungszügen.
Es gehören vor allem jene Personen zu den VVIP, die das Projekt in den diversen Abstimmungen unterstützt haben, zum ersten Mal am 27. September 1992. Das Beispiel Gotthard zeigt, wie Demokratie funktioniert, wie sich Hartnäckigkeit und Enthusiasmus lohnen. Vier Mal hatte Ogi in dieser Zeit Nierensteine, die schlaflosen Nächte bleiben ungezählt, 37 Auslandreisen zu den Verkehrsministern in Europa hat er unternommen, um den Sinn der Neat und den Unsinn einer sechsspurigen Autobahn durch das Urner Tal zu erklären. Erst die Einladung der Verkehrsminister vor Ort und ein Wackel-Helikopterflug nahe der Eigernordwand (mit dem damaligen belgischen – besonders kritischen – Verkehrsminister) brachten den gewünschten Erfolg. Ogi sagt: „Das war weder akademisch noch diplomatisch, es war wirkungsvoll.“ 24 Jahre nach der Abstimmung zur Neat darf er zu Recht behaupten: „Auftrag erfüllt“.
Gabriela Weiss Di Spirito, Fachspezialistin Energieversorgung BFE, war als Helferin bei der Gottharderöffnung am 1. Juni vor Ort
Lesen Sie im Energeia-Artikel wie energieeffizient die Fahrt durch den Gotthard-Basistunnel ist.
Bildquelle: Christian Hochuli
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