Für immer – oder doch nicht?


Matthias Galus, Fachspezialist Sektion Netze und Anja Maurer, Fachspezialistin Sektion Bundesrats- und Parlamentsgeschäfte im BFE sind momentan im Rahmen eines Austausches mit dem deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in der deutschen Hauptstadt und schnuppern Beamtenluft in der Abteilung Netze.

Ein Gespräch an Feierabend in einer Bar in Berlin:

Anja Maurer: In der Schweiz im Stab des Direktors als Generalistin tätig, bin ich hier in der Abteilung Netze des BMWi umgeben von Juristen und Ökonomen schon eine Exotin. Geistes- und Sozialwissenschaftler habe ich bisher nur einen kennen gelernt. Dabei handelt es sich um den Redenschreiber von Vizekanzler und Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel.

Du passt schon besser in die Netzabteilung, oder Matthias?

Matthias Galus: Bestens; quasi Bulls-Eye. In der Schweiz beschäftige ich mich den Themen Smart Metering, Datenschutz, Datensicherheit sowie mit Flexibilität im Verteilnetz und Anreize für Smart Grids. Alles Themen, die unsere deutschen Kollegen hier im Referat (gleichzusetzen mit unseren Sektionen) auf die eine oder andere Art bearbeiten. Noch spannender ist es, mir den Entwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende zu Gemüte zu führen, zu analysieren und aus Schweizer Perspektive einzuordnen. Die Bundesländer und Verbände konnten sich bis Oktober 2015 zu dem Regelungsentwurf äussern. Im November 2015 hat das Bundeskabinett den vom BMWi vorgelegten Gesetzesentwurf beschlossen.

Ich stelle fest, hier wird reguliert und zwar im Detail und auf den ersten Blick wasserdicht. Einen solchen Reglementierungsgrad kennen wir in der Schweiz nicht einmal auf Verordnungsstufe.

Anja Maurer: Ich fand es recht interessant, letzte Woche an der Anhörung des parlamentarischen Wirtschaftsausschusses zu diesem Gesetzesentwurf beizusitzen. Die Abgeordneten haben während dieser Sitzung Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und Kommunen Fragen über die Folgen dieses Gesetz für die Branchen und Gemeinden gestellt.

Es sind sich wohl alle einig in Deutschland, dass es ein solches Gesetz braucht, oder? Dies aufgrund des sehr starken Zuwachses der dezentralen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien.

Matthias Galus: Ja, gewisse Regelungen sind nötig – keine Frage. Kritische Stimmen kamen mitunter aus dem „Bundesverband Erneuerbare Energie“ (BEE), was auf den ersten Blick erstaunen mag. Digitalisierung und vermehrte Intelligenz sind ja gerade nötig aufgrund der vielen dezentralen Einspeisungen, die es zu handhaben gilt. Diese „Kollegen“ profitieren ja durchaus auch von mehr Intelligenz und besseren Technologien im Netz. Der Verband sieht wohl kleine Stromproduzenten mit zusätzlichen Kosten konfrontiert und wie Steuerungen aussehen sollen und wer diese letztendlich durchführt, war offensichtlich auch nicht ganz klar. Auch die Vertreterin des Verbraucherschutzes meinte, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit unverhältnismässigen Kosten und einem dafür eher geringen Nutzen rechnen müssen. Studien und Erfahrungen zeigen da aber etwas anderes, auch bei uns in der Schweiz. Zudem muss man ja mal festhalten: Die Deutschen geben fixe und transparente Preisobergrenzen vor. Das erzeugt Effizienzdruck. Hier ist wirklich Schluss mit lustig.

Anja Maurer: Das Gesetzgebungsverfahren soll im Mai 2016 oder spätestens nach der Sommerpause abgeschlossen werden. Es ist eindrücklich zu sehen, dass in Deutschland die durchschnittliche Gesamtdauer der Gesetzgebungsverfahren – von der Einbringung bis zur Verkündung – 225 Tage umfasst. In der Schweiz ist meist mit über 4 Jahren zu rechnen. Dies lässt sich unter anderem aufgrund der bei uns gesetzlich verankerten Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung erklären. Diese dauert zwar formell nur drei Monate. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung erfordern jedoch einen Zeitbedarf von häufig mehr als einem Jahr. Zudem besteht in der Schweiz noch die Referendumsfrist von 100 Tagen.

Mathias Galus: Anderes Thema: Neulich hat doch auch eine neue, junge Mitarbeiterin in unserem Referat angefangen. Sie meinte, dass sie für immer hier bleiben werde. Das hörte sich etwas nach Endzeitstimmung an; Beamtin auf Lebzeiten. Das heisst, die Anstellung erfolgt auf Dauer und eine angemessen, lebenslange Versorgung erfolgt durch den Staat. Könntest du dir das vorstellen? Für immer? Das ist ja fast wie bei einer Hochzeit.

Anja Maurer: Für unsere Generation ist die Vorstellung schwierig, für immer am selben Ort zu arbeiten. Als Beamtin im BMWi hast du aber einen gesicherten Job, was für viele einen Vorteil bringt. Zudem ist es nicht so, dass du bis 65 in deinem Büro gefangen bleibst. Einerseits kannst du dich – wie nach einer Hochzeit – auch scheiden lassen – mit mehr oder weniger schmerzhaften finanziellen Folgen. Zudem kann die Arbeit als Beamter gerade für junge Leute durchaus viele Chancen bieten. So ist es einfach, innerhalb des Ministeriums oder auch innerhalb des gesamten Verwaltungsapparates in regelmässigen Abständen die Abteilung zu wechseln und etwas ganz anderes zu machen. Ausserdem hat das BMWi auch zahlreiche Stellen im Ausland bei internationalen Organisationen oder auch bei deutschen Botschaften und ständigen Vertretungen. In der Schweiz sind gerade letztere Stellen grösstenteils den Diplomaten aus dem EDA vorenthalten.

Nichtsdestotrotz: Ich bleibe nicht für immer in Berlin und gehe im Mai gerne wieder ins BFE zurück.

Matthias Galus: Eine Hochzeit plane ich auch nicht. Aber solche Themen machen durstig. Ich geh‘ mal Bierchen holen.

Anja Maurer: Gute Idee. Ich nehme eine „Berliner Weisse“ und dann stossen wir auf diese wunderbare Stadt an!

Matthias Galus: Prost

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