Nutzen Sie konsequent den Eco-Modus Ihrer Geschirrspülmaschine? Falls ja, gehören Sie zu gerade einmal 20 Prozent der Menschen, die das tun – obschon sich mit dem Eco-Modus gegenüber dem „normalen“ Reinigungsprogramm ca. 20-30 Prozent Energie einsparen liesse.
Wieso entscheidet sich der Grossteil der Menschen nicht vernünftiger, d. h. in diesem Fall umweltfreundlicher? Alltägliche Entscheidungen wie diese sind uns aus vielerlei Gründen geistig zu anstrengend! Wir verlassen uns daher eher auf unsere Intuition (Bauchgefühl) als auf unsere Rationalität. Das führt jedoch dazu, dass wir anfällig werden für Faktoren, die bezüglich unserer Entscheidung völlig irrelevant sind. Oder hätten Sie gedacht, dass die vorgängige Betrachtung der beiden Endziffern Ihrer AHV-Nr. den Entscheid beeinflusst, wie viel Sie anschliessend bereit sind, für eine bestimmte Flasche Wein zu bezahlen? Personen, die hohe AHV-Endziffern betrachtet haben, sind danach gewillt, mehr zu zahlen.
Genau hier knüpft das durch Thaler und Sunstein definierte Konzept des Nudgings („sanftes Stubsen“) an. Mittels gezielten Veränderungen des menschlichen Entscheidungsumfeldes (z. B. unter Nutzung irrelevanter Faktoren wie die AHV-Endziffern) versucht es, den Menschen, sanft in eine „bestimmte“ Richtung zu bewegen, ohne dass man ihm (a) eine Option wegnimmt (z. B. das normale Reinigungsprogramm entfernt) oder (b) eine Option (stark) wirtschaftlich bevorteilt (z. B. ineffiziente Geschirrspüler besteuert).
Das Konzept des Nudgings könnte daher eine Erweiterung der Regierungswerkzeuge über Bonus/Malus-Regeln oder die oft wenig effizienten Informationskampagnen darstellen.
Nudging – dessen Vorteil in der Werbung übrigens schon längst erkannt wurde – kann nun auch im Kontext der gegenwärtigen Energiedebatte positiv genutzt werden, um den Menschen zu energieeffizienteren Entscheidungen zu bewegen. Ein Wunsch, der von ca. 70-90 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz, in Deutschland und auch anderswo geteilt wird.
In vielen Bereichen, wie der Ernährung, wird das Konzept des Nudgings bereits erfolgreich angewendet. So hat z. B. eine Studie von Wansink und Kollegen aus dem Jahre 2014 gezeigt, dass eine einfache Einteilung des Einkaufswagens in einen vorderen Teil für Gesundes wie Gemüse oder Früchte, sowie einen hinteren Teil für ungesunde Sachen dazu geführt hat, dass Konsumenten wesentlich mehr Gemüse und Früchte eingekauft haben. Würde der Konsument rational entscheiden, spielt diese Massnahme keine Rolle.
Im Energiebereich sind die Studien jedoch noch dünn gesät. Nichtsdestotrotz zeigen erste Studien erfolgsversprechende Resultate. Die Studie von Dolan aus dem Jahr 2011, wies nach, dass Haushalte eines bestimmten Bezirkes in England, welche neben ihrer regulären Rechnung noch Informationen darüber erhielten, wieviel Strom benachbarte Haushalte mit einer ähnlichen Grösse im Durchschnitt verbrauchten, ihren Stromverbrauch im Vergleich zu einer Kontrollgruppe um 9 Prozent reduzierten.
Basierend auf dem Erfolg dieses Ansatzes haben in den letzten Jahren die Regierungen der USA, Grossbritannien, oder Deutschland sogenannte Nudge-Experteneinheiten, die unter anderem auch aus Psychologinnen und Psychologen bestehen, gebildet.
Nebst der Tatsache, dass es noch viele Studien benötigt, die belegen wie und unter welchen Bedingungen „Nudges“ funktionieren, sollte eine reflektierte ethische Haltung die Basis für den erfolgreichen Einsatz von „Nudges“ bilden.
Zurück zum Eingangsbeispiel: Würden Sie den Eco-Modus öfters benützten, wenn er bereits als Standard definiert wäre? – Gemäss neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen: JA!
Prof. Dr. Ester Reijnen, Fachverantwortliche für Allgemeine Psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)
„Verhaltensökonomie und Nudging in Gesundheitsförderung und Prävention“ (BAG)
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/nationale-gesundheitsstrategien/strategie-nicht-uebertragbare-krankheiten/verhaltensoekonomie.html
Kaum hat man ein neues Thema, muss ein denglische Bezeichnung her! Das englische „Nudging“ in der gesetzlichen (!) Amtssprache Deutsch bedeutet umgangssprachlich „Anstupsung“. Man müsste nun nur einen Begriff finden, der als nationales deutschschweizerisches Standarddeutsch durchgeht. Nichts leichter als das!
Das BAG könnte Anstösse bzw. Anreize zum gesunden Leben geben. Im Singular wäre ausserdem ein Ansporn möglich. Alle diese verständlichen Begriffe bestehen bereits.