2010 schrieb die Gemeinde Zermatt ihre komplette Abfall- und Wertstoffentsorgung öffentlich neu aus. Die Abfallentsorgung in Zermatt ist mit den schmalen Strassen und den saisonal in grossen Mengen anfallenden Abfällen auf kleinem Raum eine grosse Herausforderung. Die Schwendimann AG gewann die Ausschreibung mit einer auf Zermatt zugeschnittenen Lösung, dem sogenannten System-Alpenluft.
Dieses wird von der neu gegründeten gleichnamigen Firma betrieben. Sie ersetzte die bestehenden Abfallcontainer durch sogenannte Micro-Presscontainer, die den Abfall gleich vor Ort verdichten. Dadurch passt der Abfall von 25 konventionellen Containern in einen vier Kubikmeter grossen Behälter. Dies hat deutlich weniger Entleerungsfahrten zur Folge. Elektrisch betriebene Seitenstapler, die für die schmalen Strassen Zermatts geeignet sind, holen die Micro-Presscontainer ab. Die Anschaffungskosten sind zwar im Vergleich zur konventionellen Entsorgung höher, aber das System bringt eine Energieersparnis von 80 Prozent. 2012 gewann System-Alpenluft dafür den Watt d’Or in der Kategorie energieeffiziente Mobilität.
Start mit Hindernissen
Nachdem Zermatt den Auftrag an die Schwendimann AG vergeben hatte, legte der frühere Auftragsinhaber aufgrund eines formalen Fehlers in der Ausschreibung Einsprache ein. Er verlor, zog den Entscheid weiter vor das Walliser Kantonsgericht und unterlag erneut. So konnte System-Alpenluft erst Mitte 2013 mit der Umsetzung ihrer Entsorgungslösung beginnen. In dieser Zeit beschloss die Gemeinde Zermatt ausserdem, eine Sackgebühr einzuführen und die organischen Abfälle separat zu sammeln, was einen Anstieg der Recyclingquote von 18 auf fast 60 Prozent zur Folge hatte. In über 200 gewerblichen Küchen und an den 40 Abfallsammelstellen installierte System-Alpenluft zusätzlich Container für Speisereste und Rüstabfälle. Im Mai dieses Jahres wurde eine Vergärungsanlage in Betrieb genommen. Diese stellt aus den organischen Abfällen Strom her, mit dem die Elektro-Seitenstapler angetrieben werden. „Dadurch haben wir einen geschlossenen Energiekreislauf“, sagt Manuel Wyss, Projektleiter von System-Alpenluft. Durch die lokale Produktion sind sie nicht auf externe Stromlieferanten angewiesen.
Saisonale Schwankungen
Mit der Schwendimann AG und deren Geschäftsführer Matthias Schwendimann hat die System-Alpenluft AG einen Partner mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Entsorgung an ihrer Seite. Wyss und Schwendimann stehen immer wieder vor Herausforderungen in Zermatt. Beispielsweise steigt während der Hochsaison die Anzahl der Menschen im Dorf von rund 6‘000 Einwohnern auf 30‘000 – das bedeutet auch entsprechend grössere Abfallmengen, die beseitigt werden müssen. Hinzu kommt, dass Touristinnen und Touristen sowie die saisonalen Arbeitskräfte auf das Abfalltrennungssystem sensibilisiert werden sollten, damit beispielsweise der organische Abfall nicht mit Plastik vermischt wird. Dennoch zeigte sich, dass sich das System-Alpenluft vor allem dann lohnt, wenn viel Abfall auf kleinem Raum anfällt wie beispielsweise in Innenstädten oder in anderen Tourismusdörfern.
Mehr Mut gefordert
Anders als die konventionelle Entsorgung verursacht das System-Alpenluft kaum Lärm. Deswegen wurden Wyss und Schwendimann sogar von den Verantwortlichen für die Abfallentsorgung in Melbourne kontaktiert. Die Stadt plante, die Entsorgungsfahrten nachts durchzuführen und brauchte daher ein geräuschloses System. Die Offerte lag schon auf dem Tisch, doch dann veränderten sich die politischen Machtverhältnisse aufgrund von Wahlen. „Unser System rentiert nach sieben Jahren – eine Legislaturperiode dauert meist vier Jahre“, erläutert Schwendimann die Schwierigkeiten der Vermarktung. Es brauche mehr Mut in der Politik und Offenheit gegenüber Veränderungen. Doch bereits bei der öffentlichen Ausschreibung würde das System Alpenluft oft ausgeschlossen, da keine unkonventionellen Varianten erwünscht seien. Nichtsdestotrotz sind Wyss und Schwendimann mit diversen Interessenten im Gespräch und versuchen diese von den Vorteilen, die das nachhaltige und energiesparende System Alpenluft mit sich bringt, zu überzeugen.
Isabelle Frühwirt, Hochschulpraktikantin Bundesrats- und Parlamentsgeschäfte
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