Weniger hektische Tage im Sommer geben auch die Möglichkeit, mich mit Kollegen diverser Firmen und Industriebranchen zu unterhalten. Nicht wenige erzählen mir von den Sorgen mit dem starken Schweizer Franken, dem brutalen Verlust an Konkurrenzfähigkeit sowie von den eingeleiteten Gegenmassnahmen. Es geht um die Verringerung der Fertigungstiefe in der Schweiz, es geht um die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Europa sowie um das Halten einer weiterhin hohen Kompetenz bei Produktentwicklung, Kleinserien, Innovation und Vertrieb in der Schweiz. Die Zahl der direkt produzierenden Arbeitsplätze in der Schweiz dürfte sich durch die Entscheide der Nationalbank deutlich reduzieren. Da braucht es eine aktive sowie engagierte Arbeitsmarktpolitik mitsamt Stellenvermittlung, um den Entlassenen neue Perspektiven zu geben. Andere berichten mir von ebenfalls besorgniserregenden Entwicklungen in von internationalen Konzernen aufgekauften Schweizer Firmen. Mehr und mehr stehen die kurzfristige Sicht, die Quartalszahlen sowie die für die Boni des Managements zentrale Eigenkapitalrendite im Zentrum. Immer weniger wird dezentral in den einzelnen Ländergesellschaften in strategische Zielsetzungen sowie Innovationen investiert. Nötigenfalls kauft man sich später, wenn man eine Chance verpasst hat, die entsprechende Kompetenz durch die Übernahme eines Jungunternehmens dazu.
In der Schweizer Stromwelt machen sich ähnliche Tendenzen bemerkbar: Wegen des starken Schweizer Frankens haben sich die Exportchancen für den hier produzierten Strom massiv verschlechtert, zudem können die grösseren Schweizer Stromkonsumenten meist nur gehalten werden, wenn Ihnen der Strom entsprechend dem tiefen europäischen Börsenpreis offeriert wird. Und in Europa wird der Strom derzeit im Überfluss produziert, sodass die Preise wohl noch einige Jahre auf einem Tiefststand bleiben….
Verschiedene Geschäftsberichte und Statistiken zeigen, dass in der Schweizer Stromwirtschaft derzeit sehr wohl noch Geld verdient werden kann. Aber diese Gewinne fallen nicht bei den mit grossen Produktionskapazitäten ausgestatteten Firmen wie Alpiq, Axpo, BKW und Repower sondern bei vielen kleinen und mittleren Stromversorgern an. Diese haben eine grosse Zahl von „gefangenen“ Kunden, also Kleinkonsumenten wie Du und ich. Für diese kaufen sie den Strom zu europäischen Börsenkonditionen ein und können bei der Weitergabe die Gestehungskosten sowie einen angemessenen Gewinn verrechnen. Deshalb sind die Eigentümer dieser Unternehmen, meist Städte und Gemeinden, durchaus glücklich mit der heutigen Situation: Noch fliessen Abgaben und Gewinne in durchaus bemerkenswerter Höhe in die öffentlichen Kassen, noch sind marketingmässig gut zu kommunizierende Investitionen in erneuerbare Energien möglich. Trotzdem, die schönen Tage mit schönen Renditen könnten bald vorübergehen, die Eigentümer dieser Werke tun deshalb gut darn, sich jetzt mit der Zukunft ihrer Firmen intensiv auseinandersetzen.Dabei scheinen mir folgende Aufgaben zentral:
1. Transparenz schaffen und eine aussagekräftige Kostenrechnung einführen – Viele dieser Unternehmen sind in den Bereichen Strom, Gas, Wasser, Telekommunikation etc. aktiv. Es wird für sie wichtig, die Kosten der einzelnen Teilbereiche umfassend zu analysieren. Dafür brauchen sie eine erstklassige Kostenrechnung, welche Kennziffern für die zu fällenden Enstcheide liefert. Kaderleute, welche – beispielsweise aus der Telekomindustrie – neu in die Strombranche kommen, sind immer wieder erstaunt, wie wenig aussagekräftig die Kostenrechnungstools der Stromer sind.
2. Strategie klug definieren – Die Grossen der Branche, Alpiq, Axpo und BKW, sind derzeit an einer umfassenden Neuausrichtung und definieren radikal neue Strategien, da das bisherige Businessmodell teils überholt ist. Die Eigentümer der mittleren und kleinen Stromfirmen tun gut daran, bald ebenfalls in einen umfassenden Strategieprozess zu steigen, denn primär einen schönen Gewinn resp. eine angemessene Eigenkapitalrendiet in eine öffentliche Kasse abzuliefern, dürfte als Stossrichtung für die künftige Tätigkeit dieser Firmen nicht mehr genügen. Markt heisst Chancen aber auch Risiken. Die Eigentümer sollten sich dessen bewusst sein und entsprechend auch überlegen, in welchen Märkten und Monopolen (Netze) sich ihre Firmen künftig bewegen sollen.
3. Make or buy – Und mit diesen strategischen Überlegungen zusammenhängend werden wichtige Entscheide über eigene Produktion und Services, die Kooperation und Bündelung mit anderen Playern oder die Vergabe der Produktion/Services an Dritte zu fällen sein. Denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass künftig einzelne Kommunen nur noch als Netzbesitzer agieren und vom Betrieb über den Unterhalt bis hin Serviceleistungen etc. alles an Dritte delegieren. Das kann weit profitabler sein als ein Konzept des Fullservices für wenige Klienten aufrrechterhalten zu wollen. Sich mit derartigen Optionen auseinanderzusetzen, macht deshalb für viele kleinere und grössere Player Sinn.
Walter Steinmann, Direktor BFE
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