Vergangenes Wochenende fand in Abu Dhabi die Jahresversammlung der International Renewable Energy Agency IRENA statt. Das Treffen, an dem rund 1‘100 Delegierte aus 177 Mitgliedstaaten und beitretenden Regierungen, Wirtschaft und NGOs teilnahmen, ist ein Barometer für den Zustand des Sektors.
Bloomberg publizierte erste Schätzungen zum abgelaufenen Jahr. Zwar sank das Investitionsvolumen von 330 Mrd. $ im Jahr 2015 auf 290 Mrd. $, doch die Gründe sind sowohl erfreulich (sinkende Fotovoltaik-Kosten liessen die Neuinstallationen von 56 auf 70 GW steigen) wie auch herausfordernd (so wurde wegen begrenzter Netzintegration in China der Ausbau von Wind verlangsamt). Insofern wurde hervorgehoben, wie entscheidend die Planung von Netzen ist: In Industriestaaten beim Netzausbau, in Entwicklungsländern bei einer ganzheitlichen Planung von Regionen, die mit Hochspannungsnetzen, Minigrids oder Off-Grid erschlossen werden. Ferner brachte das Jahr 2016 markante Durchbrüche bei Offshore Wind. 2015 übertraf der Ausbau von erneuerbaren Stromkapazitäten erstmals jenen von konventionellen Kapazitäten. Auch überholten die Schwellen- und Entwicklungsländer die OECD-Staaten.
Ausschreibungen von Wind und Solar sind längst die bevorzugte Beschaffungsart für neue Kapazitäten und fördern beinahe monatlich neue Kosten-Rekordtiefs zutage. Einig war man sich, dass Erneuerbare längst keine Wohltätigkeit sondern ein äusserst dynamisches Geschäftsfeld sind. Francesco Starace, CEO des zweitgrössten europäischen Stromunternehmens Enel, bezeichnete den Sektor als „fiercely competitive“ und einzigartig, denn Erneuerbare wirken sich auf die ganze Energie-Wertschöpfungskette aus, zwingen zu schnellen Entscheiden, und erlauben eine ungeahnte gegenseitige Befruchtung von verschiedenen Technologien und Industriezweigen. Ebenso bestechend waren Referate von Thierry Lepercq, CTO des 100 Mrd.€-Konzerns Engie, der von einem anrollenden Tsunami von Innovationen bei Speichern, Elektromobilität, IoT und Wasserstoff sprach, oder des norwegischen Erdölkonzerns Statoil, der zum Leader für schwimmende Windanlagen wird.
Unternehmen und Grossbanken wie Citigroup verlangten von den Regierungen nur zwei Bedingungen für den Ausbau von Erneuerbaren: Langfristige Stabilität und Risikominderung zur Senkung der Kapitalkosten. Bei letzteren setzt auch ein Teil der Arbeit von IRENA an. Standardisierte technische Handbücher und Projektverträge werden mit Fachorganisationen und Anwaltskanzleien entwickelt, um Projektkosten zu senken und an das reichlich vorhandene Kapital heranzutragen. Wechselkursrisiken sind oft eine Knacknuss, können aber mit Garantien gelöst werden – eine Aufgabe die vor allem Entwicklungsbanken zukommt. Ein weitverbreitetes Problem ist der Mangel an Fachkräften und Expertise bei Regierungen. Hier hilft IRENA, beispielsweise indem Erfahrungen zu Ausschreibungen verbreitet werden. IRENA setzt sich auch für den grenzüberschreitenden Netzausbau ein, dessen Beitrag für die Integration von Erneuerbaren offensichtlich ist. Doch wofür Europa Jahrzehnte brauchte erfordert viel politische Arbeit in Afrika, ASEAN, den Anden oder Zentralamerika.
Offgrid Elektrifizierung erlebt seit wenigen Jahren einen Boom, angetrieben von Tausenden lokaler Unternehmen in Afrika und Indien, die das Erfolgsmodell von „mobile money“ weiterentwickeln, um integrierte Lösungen für Stromerzeugung anzubieten, allenthalben kombiniert mit Dienstleistungen im Gesundheitswesen, Ausbildung und Landwirtschaft.
Jean-Christophe Füeg, Leiter Internationales, Bundesamt für Energie
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