Förderprogramm Innovative Technologien: «Wichtiges Signal für Schweizer Wirtschaft»
Wärmepumpe statt Ölheizung: Im Gebäudebereich ist der Ersatz von fossilen Energieträgern mit bereits bewährten Technologien möglich. In anderen Bereichen ist noch Innovation nötig, um den Schritt hin zu CO2-freien Prozessen zu schaffen. Der Bund will deshalb den praktischen Einsatz innovativer Technologien fördern. Das sieht das «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» (KlG) vor, über das wir demnächst abstimmen. Bis zum Jahr 2030 sollen insgesamt 1,2 Milliarden Franken Finanzhilfen für die Anwendung von neuartigen, klimafreundlichen Technologien und Prozessen zur Verfügung stehen. Energeiaplus fragt bei Reto Burkard, Abteilungschef Klima im Bundesamt für Umwelt nach, wo diese Fördermittel unter anderem eingesetzt würden.
Energeiaplus: In welchen Bereichen braucht es innovative Technologien, damit das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden kann?
Reto Burkard: Klimaneutralität bedeutet, dass der Ausstoss von Treibhausgasemissionen so weit wie möglich reduziert wird. Der Ausstoss kann aber nicht überall auf null gesenkt werden. Dementsprechend soll der verbleibende Treibhausgas-Ausstoss mit dem Einsatz von Negativemissionstechnologien (NET) ausgeglichen werden.
NET sind biologische oder technische Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in natürlichen oder künstlichen Kohlenstoffspeichern zu binden. Die Entwicklung von Verfahren, mit denen das im grossen Stil erreicht werden kann, schreitet zwar voran. Aber es ist hier immer noch viel Innovation vonnöten.
Auch sonst gibt es noch einiges zu tun. Die Dekarbonisierung der Industrie, also die Abkehr von fossilen Energieträgern (Öl, Kohle, Erdgas) bedingt, dass die Industrie ihre Prozesse effizienter gestaltet und sie vermehrt elektrifizieren muss. Nur wenn für die Elektrifizierung erneuerbarer Strom eingesetzt wird, leistet sie einen wesentlichen Beitrag zu Netto-Null. Dort, wo dies nicht möglich ist, können zudem erneuerbare Gase zukünftig eine zentrale Rolle spielen.
Welche Technologien können gefördert werden? Im Klima- und Innovationsgesetz, über das wir demnächst abstimmen, ist das noch sehr offen formuliert.
Im Moment ist es noch zu früh, spezifischen Technologien zu nennen, welche zukünftig unter dem Klimagesetz (KlG) gefördert werden sollen. Der Bundesrat wird dies – natürlich vorausgesetzt, das Volk stimmt dem Gesetz zu – auf Verordnungsstufe konkretisieren. Die offene Formulierung im Gesetz ist sinnvoll, denn wir sollten auch zukünftig technologieoffen fördern.
Das Parlament hat in seinem Bericht zum KlG festgeschrieben, dass die geförderten Technologien der Umsetzung der unternehmens- oder branchenspezifischen Netto-Null Pläne dienen sollen. Technologien sollen dann unterstützt werden, wenn sie nebst formalen Kriterien auch bezüglich inhaltlicher Kriterien und/oder Effizienzkriterien gut abschneiden. Dazu gehören unter anderem ein gutes Kosten/Nutzen-Verhältnis, ein hohes Treibhausgasvermeidungs- und Abscheidungspotenzial, zeitliche Umsetzungs- und Wirkungshorizonte und ein hohes Multiplikationspotenzial.
«Im Fokus der Förderung stehen Unternehmen»
Was wir aus den parlamentarischen Diskussionen folgern können: Tendenziell sollen einerseits eher grössere Einzelprojekte, mit denen namhafte Emissionsverminderungen erzielt werden, gefördert werden. Also wirklich sogenannte «Leuchtturm-Projekte». Andererseits sollen auch Branchenlösungen für KMUs unterstützt werden können, das heisst neuartige, standardisierte Technologien und Prozesse, welche mittel- bis längerfristig in einer ganzen Branche eingesetzt werden.
Die Verordnung muss also noch klären, was innovativ genug ist, um Fördermittel zu erhalten?
Die Verordnung muss so formuliert sein, dass Technologien gefördert werden, welche wegweisend sind für die Entwicklung eines Unternehmens oder einer Branche in Richtung Netto-Null. Technologien oder Prozesse, die eigentlich bereits ab Stange zu haben sind, jedoch einzig aufgrund finanzieller Überlegungen nicht eingesetzt werden, sollten aus meiner Sicht nicht im Fokus der Förderung stehen. In diesen Fällen geht es eher darum, die Rahmenbedingungen ausserhalb des KlG so zu setzen, dass deren Einsatz wirtschaftlich wird.
Bei Industrieprozessen, die hohe Temperaturen erfordern, können synthetische Brennstoffe oder Wasserstoff als Alternative eingesetzt werden. Da wird bereits eifrig daran geforscht, Sie haben es bereits erwähnt. Doch marktfähig sind diese Lösungen noch nicht. Sind das potenzielle Förderprojekte?
Wie erwähnt, es gilt unter anderem die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Nicht immer ist die Elektrifizierung möglich, beispielsweise, weil hohe Temperaturen notwendig sind. Hier muss das fossile Erdgas durch erneuerbare Gase ersetzt werden. Da ist der Einsatz der wertvollen erneuerbaren Gase sinnvoll, nicht aber zur Herstellung von Komfortwärme im Wohnbereich. In diesem Sinn kann ich mir vorstellen, dass der Bundesrat die Herstellung erneuerbarer synthetischer Energieträger fördern möchte. Netto-Null-kompatibel und damit förderberechtigt scheinen mir die erneuerbaren gasförmigen und flüssigen Brenn- und Treibstoffe jedoch nur dann, wenn keine fossilen Ausgangsstoffe und ausschliesslich erneuerbare Energie für deren Produktion eingesetzt werden.
Wie sieht es bei CCS-Technologien aus? Carbon Capture Storage, also die Speicherung von CO2, kann eine wichtige Lösung sein, um CO2-Neutralität zu erreichen.
Ja, Technologien zur Abscheidung, zum Transport sowie zur Einlagerung von CO2 qualifizieren sich meines Erachtens grundsätzlich für eine Förderung: Die Technologien sind unerlässlich, weltweit aber in der Praxis noch wenig erprobt, investitionsintensiv und in der Realisierung aufgrund der lückenhaften oder noch fehlenden Regulatorien langwierig. Es gilt jedoch zu beachten, dass im Fokus der Förderung Unternehmen stehen sollen. Der Aufbau von Infrastrukturen zum Transport von CO2 durch öffentliche Trägerschaften soll gemäss KlG nicht direkt gefördert werden. Bei solchen Infrastrukturvorhaben soll der Bund aber eine Risikoabsicherung bereitstellen können.
Wie wird sichergestellt, dass die eingesetzten Fördermittel dann auch den gewünschten Effekt bringen?
Sowohl das Bundesamt für Umwelt BAFU als auch das Bundesamt für Energie BFE haben viel Erfahrung mit der Anwendung von Förderinstrumenten. Diese Erfahrungen werden uns helfen, auch hier ein effektives Controlling in der Verordnung vorzuschlagen.
Wie grenzen sich diese Förderhilfen ab zu bestehenden Forschungsprojekten wie SWEET zum Beispiel? Ziel von SWEET ist die Förderung von Innovationen, die wesentlich zur erfolgreichen Umsetzung der Energiestrategie 2050 und der Erreichung der Schweizer Klimaziele beitragen.
Die Finanzhilfen sind insbesondere für die Marktdiffusion von neuartigen Technologien und Prozesse und nicht für die Forschung vorgesehen. Aus Gründen der Vollzugseffizienz und zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten soll die Förderung je nach Phase im Innovationszyklus dem dafür geeigneten, bereits bestehenden Programm des Bundes zugewiesen werden. In Frage kommen dafür die Innosuisse, Umwelttechnologieförderung, Pilot- und Demonstrationsprojekte, SWEET und Energie Schweiz. Es geht soweit, dass die den Programmen zugewiesenen Budgets im Rahmen des KlG erhöht werden können. Damit können Synergien zwischen den Förderprogrammen geschaffen werden.
Für den Klimaschutz ist das BAFU zuständig, für die Energieversorgung das Bundesamt für Energie. Wie erfolgt die Zusammenarbeit bei solchen Förderhilfen?
Ich muss vorausschicken, dass die Zusammenarbeit mit dem BFE ausgezeichnet funktioniert. So arbeiten BAFU und BFE seit Jahren etwa im Bereich der CO2-Verminderungsverpflichtungen von Unternehmen, im Bereich der Umsetzung des Kompensationsinstrumentes für die Treibstoffimporteure oder dem Technologiefonds zusammen. Wir haben hier also eine jahrelange Partnerschaft und damit auch ein gemeinsames Verständnis und gegenseitiges Vertrauen.
«Förderprogramm sendet wichtiges Signal an Schweizer Wirtschaft»
Im Moment sind wir, BAFU und BFE, daran, in einer gemeinsamen Projektstruktur die Verordnung zum KlG zu erarbeiten. Die Mitarbeitenden arbeiten gemeinsam daran, die Förderinstrumente des KlG raschmöglichst aufzubauen. Wie die Struktur der Vollzugsorganisation schliesslich aussehen wird, entscheidet sich in den kommenden Wochen und Monaten. Dabei ist sicherzustellen, dass die Aufgabenteilung zwischen den beiden Ämtern basierend auf den vorhandenen Kompetenzen erfolgt und die Förderinstrumente strategisch von beiden Ämtern gesteuert werden. Selbstverständlich hat der Bundesrat das letzte Wort zur organisatorischen und inhaltlichen Ausrichtung des Förderinstrumentes. Und zuvor, ich habe es schon gesagt, das Volk zur gesetzlichen Grundlage.
Was bedeutet es für den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz, wenn der Bund solche Fördermittel spricht? Oder anders gefragt: Kann man mit 1,2 Milliarden Franken in den Jahren 2025 bis 2030 oder 200 Millionen Franken pro Jahr den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz stärken?
Mit dem Förderprogramm sendet das Parlament wichtige Signale an die Schweizer Wirtschaft: Netto-Null 2050 ist notwendig, Netto-Null 2050 ist herausfordernd und bedingt Innovationen, Netto-Null kompatible Innovationen gilt es jetzt anzugehen und anzuwenden. Der Staat unterstützt die Industrie bei dieser Herausforderung. Im Grunde handelt es sich um eine Anschubfinanzierung, um innovative Lösungen marktgängig zu machen.
Ja, ich bin überzeugt, dass mit der Förderung die Marktdurchdringung mit neuartigen Technologien erhöht wird. Damit wird Wertschöpfung im Inland geschaffen. Und mit der neuen Technologie kann die Schweiz auch neue Märkte im Ausland erschliessen.
Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Shutterstock; Stock-Vektorgrafik ID: 2061473576; Dmitry Kowalchuk
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