Gebäude ohne Gas und Öl betreiben und die Energieeffizienz steigern – mit Digitalisierung!
Der Gebäudepark ist für rund einen Viertel des inländischen CO2-Ausstosses verantwortlich. Nebst Massnahmen wie energetischen Sanierungen, die unerlässlich sind, kann Digitalisierung einen grossen Beitrag zur Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung des Gebäudeparks beitragen. Zwei Studien, die das Bundesamt für Energie Ende 2022 veröffentlicht hat, zeigen, wie das funktionieren kann.
Die Studie Digitalisierung im Gebäude beschreibt, wie Digitalisierung im Gebäudebereich vorangetrieben werden kann und wo aktuell Hemmnisse sind. Das Fazit: Damit die Digitalisierung im Gebäudebereich ihr grösstes Potenzial entfalten kann, ist eine globalere Sicht auf das Gebäude notwendig. Denn: Alles hängt mit allem zusammen. Der Strom aus den PV-Modulen an der Fassade oder auf dem Dach soll die Ladestation fürs E-Fahrzeug versorgen, und Sensoren sollen gleichzeitig das Heiz- und Lüftungssystem steuern.
Erst ein besseres Zusammenspiel aller Systeme und Techniken im Gebäude kann das volle Potenzial bezüglich Energieeffizienz entfalten. Doch so einfach ist das nicht, denn es existieren verschiedene Hemmnisse für die Investitionen in Digitalisierung im Gebäude. Fehlende technische Standards machen die Systemintegration aufwendig, und Bedenken hinsichtlich Informationssicherheit stehen einem unbekannten wirtschaftlichem Nutzen insbesondere für den Eigentümer gegenüber. Warum sollte dieser also in die Digitalisierung investieren? Erschwerend kommt noch der aktuelle Fachkräftemangel hinzu.
Einen möglichen kurzfristigen Ansatz, um die Anreize für Investitionen in die Digitalisierung von Gebäuden zu erhöhen, sehen die Studienautoren in der Einführung des sogenannten Smart Readiness Indicator (SRI) in der Schweiz. Der SRI misst vereinfacht gesagt die Intelligenz des Gebäudes. Ziele des SRI sind es, das Bewusstsein für die Vorteile intelligenter Gebäudetechnologien und -funktionalitäten zu schärfen und deren Mehrwert für Gebäudeeigentümer und -eigentümerinnen, Wohnungsverwaltungen, Mieter und Mieterinnen sowie Service-Anbieter greifbarer zu machen. Durch den SRI lassen sich auch auf transparente Art und Weise die Investitionen in Digitalisierung darstellen, die eine Wertsteigerung des Objektes bringen und damit für den Eigentümer einen Mehrwert bieten.
Zur Erleichterung und Bewertung der Umsetzung solcher Digitalisierungsinitiativen im Gebäudesektor schlägt die EU-Gebäude- und Energieeffizienzrichtlinie einen Smart Readiness Indicator (SRI) vor. Der SRI sieht vor, „die Fähigkeit von Gebäuden zu messen, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie elektronische Systeme zur Anpassung des Betriebs der Gebäude an den Bedarf der Bewohner und des Netzes sowie zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz und -leistung der Gebäude zu nutzen“ (2018/844/EU). Hintergrund ist, die Digitalisierung zunehmend für die Dekarbonisierung der Energieversorgung und die Erreichung der Klimaziele zu nutzen.
Einfach verständliche Kategorien ermöglichen zu entschieden, welche Systeme mit welchem Automatisierungsgrad in ein Gebäude eingebaut werden und wie deren Einfluss auf Kosten, Energieeffizienz und implizit auf den Wert des Gebäudes ist. Ein weiterer Effekt: Es motiviert für eine engere Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Investorinnen, Planern, Gebäudebesitzerinnen und Gebäudebewirtschaftern. So wird die Bestellkompetenz der Investorinnen erhöht.
Voraussetzung für die Umsetzung ist auch, dass die Fachleute im Gebäudebereich entsprechend ausgebildet sind und der steigenden Nachfrage entsprechen können. Die Bildungsoffensive Gebäude, welche die Gebäudebranche, Bildungsinstitutionen und das Bundesamt für Energie lanciert haben, hat dies zum Ziel.
Bei der zweiten Studie stehen die Daten zur Charakterisierung des Energieverbrauchs in den Gebäuden im Vordergrund. Digitalisierung kann hier für mehr Effizienz und Transparenz sorgen. Die Idee ist, eine Plattform zu schaffen, einen sogenannten Gebäudepass, der alle wichtigen energetischen Informationen zum Gebäude bereitstellen kann. Beispiele: Informationen zu aktuellem jährlichen Energieverbrauch, Grösse der Netzanschlüsse, letzte durchgeführte Sanierung, das aktuelle Heizsystem oder die Anzahl Parkplätze. Ein einfacher Zugang zu diesen Informationen würde insbesondere Energieplaner, Energieberaterinnen, Gebäudesanier, Gebäudebesitzerinnen aber auch Behörden dabei unterstützen, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und bessere da zielgerichtetere Dienstleistungen anzubieten. Die Daten könnten nützlich sein für die Planung von Renovationen, Sanierungen oder gar den Ausbau des Stromnetzes.
Die Studie macht deutlich, dass nur ein kleiner Teil der benötigten Daten öffentlich verfügbar oder einfach zugänglich ist. Ein im Energiebereich bekanntes Problem, das die Transformation des Gebäudesektors bremst. Die Konzeptstudie zeigt anhand konkreter Use Cases erstmals die Machbarkeit und den Mehrwert einer solchen Plattform auf. Sie identifiziert relevante Daten für die entsprechenden Fragestellungen, zeigt auf, woher diese Daten stammen und wo sie aktuell zu finden sind.
Beide Studien machen deutlich: Die Digitalisierung und der einfache Zugriff auf verständliche Daten in guter Qualität haben ein hohesPotenzial im Gebäudebereich. Gerade Daten sind eine Grundvoraussetzung, um die digitale Innovation und clevere Dienstleistungen im Gebäudebereich voranzutreiben. Damit kann die Dekarbonisierung und die Energieeffizienz wesentlich unterstützt werden. Dieses Potenzial wird derzeit jedoch noch nicht voll ausgeschöpft. Beide Studien geben Anhaltspunkte für weitere nötige Schritte.
Lucas Tochtermann, Digital Innovation Office, Bundesamt für Energie
Bild: shutterstock, Stock Vector ID: 1107359975, Andrey Suslov
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